Zum Schießen! Mit Bär und Kreidestrich

Dass die Schiess-WM in Garching sich ausgerechnet einen Teddy namens Bruno als Maskottchen wählt, mutet seltsam an. Es gibt noch mehr Kuriositäten. Die AZ hat sich bei den Wettkämpfen umgeschaut
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Wenigstens holte sie noch Mannschafts-Gold: Die Münchner Luftgewehr-Schützin Sonja Pfeilschifter.
dpa Wenigstens holte sie noch Mannschafts-Gold: Die Münchner Luftgewehr-Schützin Sonja Pfeilschifter.

Dass die Schiess-WM in Garching sich ausgerechnet einen Teddy namens Bruno als Maskottchen wählt, mutet seltsam an. Es gibt noch mehr Kuriositäten. Die AZ hat sich bei den Wettkämpfen umgeschaut

Am frühen Vormittag ist Zapfenstreich. Nebenan spucken die Pendelbusse die ersten Besucher aus, da ist für Sonja Pfeilschifter der Tag schon um. Nur 396 von 400 Ringen, Platz 16 in der Luftgewehr-Quali, zu schlecht fürs Finale der besten Acht. Und das bei der Heim-WM, wo sie gar nicht weit her hat, sie lebt ja gleich drüberhalb der Isar in Ismaning. „Es war einfach schlecht“, sagt sie, die Stimme zittert. Tränen, fast. Dann ist sie weg. Dabei gibt es ja noch so viel zu sehen. Bei der Schieß-WM in Hochbrück. Ein Streifzug über das Schützenfest. Ein Besuch bei Menschen wie Ludwig Mayer.

Vor Ludwig Mayer sitzt eine Schützin. Sie Iranerin, er Oberpfälzer. Sie blaues Kopftuch, rote Fingernägel, er grauer Schnurrbart und ein gelber Kreidestein, damit fährt er der Frau über den Hintern. Andere würden sich dafür eine Watschn einfangen. Mayer, Wettkampfrichter Ausrüstungskontrolle, darf das. Die Polsterung der Spezialhose darf keine fünf Zentimeter über der Sitzfläche sein. Alles geregelt, das Kleinkalibersystem ab Mündung max. 85 Zentimeter, Schuhhöhe höchstens zwei Drittel der Sohlenlänge. Der Amberger sieht alles. Die Iranerin, keine Beanstandung, alles gut, sie geht rüber in den Fanshop.

Da ist das WM-Maskottchen der Renner. Der Plüschteddy kostet einen Zehner, der Name aber, grandios: „Bruno der Bär“! Das 2006 am Spitzing abgeschossene Pelztier als Aushängeschild der Schützen-WM? Realsatirischer Volltreffer.

Auch sonst hämmern die Herzen der Waffenfreunde höher. Ja, hämmern. Am Stand von Hämmerli gibt es ein Starterset für das neueste Modell des Luftgewehrs AR20, wahlweise Silber, Hot Red oder Deep Blue, bei Gehmann die Zentralfeuerpistole MG280 für Rechts- wie auch für Linkshänder, und in einer Bude verkaufen Chinesen Patronen, die in bunten roten Schachteln stecken, so wie sie der Zoll vor Silvester reihenweise konfisziert, weil sie zu viel Radau machen beim Feuerwerk. Sind ja irgendwie auch China-Böller. Auch sonst gibt es viele Standl in der Budenstraße, fast wie Auer Dult. Nur dass es hier aber eben etwa Gewehrreiniger gibt und keine Klobürsten.

Aber da plötzlich. Was ist das? Jugendliche mit langen Haaren bemalen sich vor einem Zelt, aus einem CD-Spieler kräht Bob Marley, im Gras steckt eine rosa Plastikblume. Hippies in Hochbrück? Herrje, die Armen, haben die sich verlaufen? Nein, öha, es ist die Deutsche Schützenjugend. Sie haben sich lieb und verkaufen Anstecknadeln und Buttons. Fehlt nur noch, dass darauf steht: Schnellfeuerpistolen zu Pflugscharen. Dafür reicht es dann aber doch nicht.

Auch bei Jessica Mager und Beate Gauß reicht es nicht. Die beiden schießen mit ihrem Luftgewehren an den Medaillen vorbei. Rund 300 Zuschauer sind in der Finalhalle, darunter auch eine Abordnung des Schützenvereins 1909 Pfeifferhütte, sie quittieren Schüsse außerhalb der Zehn mit Raunen und Kopfschütteln.Es gewinnen zwei Frauen aus China. Die heißen Yi und Wu und haben auch einen Kreidestrich am Po.

Und Ludwig Mayer? Der ist außer sich vor Freude. Nicht wegen der hübschen Russin sondern wegen ihres Trainers, ein alter Bekannter. „Mei, des is ja da Aleinikow“, schreit er erfreut. Bitte wer? „Jewgeni Aleinikow“, sagt Mayer, die Aufklärung folgt: Der Aleinikow war nämlich bei der Polizei-EM 1999 hier Zweiter hinter Hubert Bichler, der heute die Pfeilschifter trainiert. Dieser Wettkampf ist unvergessen. Sagt Mayer. Zum Abschied schenkt Mayer seinem Moskauer Spezl noch ein Mantschgerl. Einen Playmobil-Polizisten.

Aber wo täten sie alle überhaupt hinschießen, wenn es Andreas Krüger nicht gäbe. Er stellt Zielscheiben her. Jedes Jahr 500 Millionen Zielscheiben in seiner Firma im Saarland. Eine halbe Milliarde! „Wir exportieren in 120 Länder“, sagt Krüger, „allein in Deutschland haben wir 1,5 Millionen Schützen.“ Und die schießen pro Training mindestens zehn Scheiben unschädlich. Statistisch hat jeder 14. Erdenbürger eine Zielscheibe von Krüger. Es gibt professionelle für den Wettkampf und lustige für den Gaudiabend im Schützenheim. Einen Apfel, wer mal einen auf Wilhelm Tell machen mag, oder als Motive Wildsäue, Schneemänner, Fledermäuse. Aber irgendwie sind sie dann ja doch pietätvoll. Bruno nämlich haben sie nicht.

Florian Kinast

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.