Zum Dahinschmelzen

Olympia ist halb rum. Zeit für einen Kassensturz in Vancouver, das zwar sauteuer ist, aber auch ein nettes Biotop für Exoten und Bierliebhaber.
VANCOUVER Halbzeit in Vancouver. Die erste Woche der Olympischen Spiele ist vorbei, Zeit für eine Zwischenbilanz, entsprechend der Anzahl der Olympischen Ringe: Die fünf Tops, die fünf Flops und die fünf Dinge, auf die sich die Wintersport-Fans in der zweiten Woche noch freuen können.
DIE TOPS
Medaillenfreude: Euphorie nach den eigenen Erfolgen, das führt zu ganz besonderer Dynamik. Jeder feiert anders. Leitner und Resch, das Berchtesgadener Rodel-Duo, glänzt seit Bronze im Doppelrodeln konditionsstark im Kufenstüberl. Halfpiperin Hannah Jeter kündigte nach Silber an, Frauen-Unterwäsche zugunsten der Erdbebenopfer in Haiti zu verkaufen. Oder das chinesische Paarlauf-Gold-Duo Zhao/Shen, das vor erfreut erstaunten Fans auf der Eislauffläche am Robson Square eine improvisierte Spontan-Kür hinlegte: So machen die Spiele Spaß.
Stimmung: Wurde immer besser. Nach dem ersten durchwachsenen Wochenende steigerten sich die Gastgeber in eine wahre Euphorie hinein. In Vancouver oder Whistler. Freude, Party, hoppsassa. Das Geschäft in den Olympia-Souvenir-Shops boomt, am besten gehen die roten Fäustlinge mit den fünf Ringen. Olympia erwärmt die Herzen und die Hände.
Wetter: Wunderbar die Wärme. Ist es daheim in München immer noch schattig? Frieren Sie noch recht? Ha. Hier ist es herrlich. Strickjacken und Pullis hätten auch in München bleiben können, 's ist Frühling. Und die weiteren Aussichten: 12 Grad und Sonne. Winterspiele im T-Shirt. Zum Dahinschmelzen.
Gastfreundschaft: Sportler aus aller Welt werden gefeiert, Besucher aus allen Nation. Auch aus den USA. Selbst Stephen Colbert hießen sie willkommen. Einen US-Komiker aus South Carolina, der Kanadier am liebsten als Volk von unzurechnungsfähigen Ahornsirupschluckern verhöhnt. Er hatte in Vancouver einen viel umjubelten Auftritt. Schön, sich nicht ganz so ernst zu nehmen.
Demos: Gibt es dauernd gegen Olympia. Wer nervt, sind die vermummten Krawallmacher, die sinnlos Rabatz machen. Bringt doch nix. Die meisten Kundgebungen sind friedlich, überall in der Stadt hängen farbenfrohe Anti-Olympia-Plakate gegen Kommerz, IOC und die Großsponsorei. Und keiner hängt sie ab. Ein Hoch auf die Demokratie. In Peking 2008 gab's das eher weniger.
DIE FLOPS
Eiskanal: Das große Fiasko. Der Tod von Nodar Kumaritashwili beim Rodeln, die Unfälle im Bob-Training, die Beschwichtungsversuche von Verbänden und Bahn-Bauern. Für 2013 wurde hierher bereits die Rodel-WM vergeben. Bloß nicht, lieber die Bahn abbauen und verschrotten. Auch wenn es kostet. Das muss die Sicherheit wert sein.
Medaillenfrust: Das Gebaren von Ingo Steuer nach dem Paarlauf galt als Tiefpunkt. Die öffentlichen Verbalwatschn, die Beschimpfungen gegen Robin Szolkowy trotz eines dritten Platzes – unsäglich. Mag Steuer mit seinen jetzt erscheinenden Memoiren reich werden, diese Aussagen waren arm. 2006 durfte Steuer nicht mit zu Olympia wegen seiner Stasi-Vergangenheit. Auch heuer hätten sie ihn vielleicht besser daheim lassen sollen.
Gastwirte: Die nehmen es von den Lebenden. Rund um die Fanmeile in Vancouvers Yaletown haben Lokale wie das „Earl's“ und der „Hamilton Street Grill“ die
Zambonis: Die drei Eismaschinen, die im Richmond Oval den Geist aufgaben, das Geläuf mit Pfützen und Rillen übersäten. Darum mussten sie dann neue Zambonis aus Calgary einfliegen lassen. Warum eigentlich nicht aus der Haidhauser Eisarena? Die daheim im Prinze laufen doch auch immer bestens.
Das Feuer: Panne schon bei der Entzündung, als eine der Riesenfackeln im Boden stecken blieb. Nur drei aus vier, schlechte Quote. Ärger auch um das Feuer am Hafen, weil es von einem hässlichen Sicherheitszaun umgeben war. In Erinnerung an Ronald Reagans Appell 1987 an Michael Gorbatschow, die Mauer einzureißen, riefen nun die Einwohner an den OK-Chef: „Mr. Furlong, tear down this fence.“ Bisher blieb das ungehört. Damit Touristen die Flamme wenigstens fotografieren können, haben sie einen Seeschlitz in den Zaun geschnitten.
Das Beste kommt noch
Gold in weiß und blau: Neuner, Riesch und Felix Loch, die bayerischen Stars retten die gesamtdeutsche Bilanz. Im Medaillenspiegel lag der Freistaat Freitagmorgen Ortszeit auf Rang fünf. 1. USA, 2. Norwegen, 3. Kanada, 4. Korea. 5. Bayern. Wia samma? Goidig samma.
Eishockey: Das große Spektakel, wie bei uns Fußball-WM, Nikolaus und Weihnachten in einem. Für Kanada das wichtigste Gold, am liebsten würden sie im Traumfinale den Erzfeind zweistellig demütigen. Ahornsirupschlucker 10, USA 0.
Die Bier-Kritik: Die Kolumne in der Zeitung „The Province“, ein Muss. Jeden Tag testet Gastro-Experte Jan Zeschky ein Bier aus einem anderen Land, Höchstwertung fünf Punkte. Bisher führt: Tyskie (Polen) und Coopers Sparkling (Australien) je 3, Estrella Damm (Spanien) 2,5, Taj Mahal (Indien) 2, Dos Equis Amber (Mexiko) 1,5. Welches bayerische Bier sie nehmen? Im Kufenstüberl gibt es Erdinger Weißbier. Bekommt es fünf? Schauen Sie online rein: The.province.com/Janeats.
Bunte Vögel: Seine Auftritte in Slalom und Riesenslalom hat Kwame Nkrumah-Acheampong, genannt „Schneeleopard“, noch vor sich. Exotisch auch das gescheckt karierte Outfit der norwegischen Curler. Leoparden und Clowns, Olympia ist eben doch ein Riesen-Zirkus.
Ingo Steuer: Ihn sieht man hier nicht mehr. Besser so.