Zu gut für die Liga – reif für die Champions?
MÜNCHEN - Neun Punkte müssten reichen. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesliga wurde sieben Spieltage vor Schluss ein solcher Vorsprung noch hergegeben. Nächstes Jahr wollen die Bayern auch international richtig was reißen.
Fußball ist Mathematik. Und Fußball ist Historie – macht zusammen genommen Wahrheit. Neun Punkte beträgt der Vorsprung des FC Bayern auf den Tabellenzweiten FC Schalke, gar zehn auf den Hamburger SV und Werder Bremen. Nie zuvor in der Bundesliga-Geschichte wurde sieben Spieltage vor Schluss ein solcher Vorsprung noch hergegeben. Wer zweifelt da noch am 21. Meistertitel? „Theoretisch kann man uns noch einholen“, sagte Mark van Bommel, „aber das darf uns nicht mehr passieren.“
Wie auch? Gegen Bochum siegten die Bayern trotz Unterzahl nach der Gelb-Roten-Karte für van Bommel und trotz des Rückstandes noch mit 3:1. Was zeigte: Wenn sie müssen, wenn sie wollen – dann können sie. Und dann kann keiner mithalten. „Das war noch nicht der entscheidende Schritt, aber es war ein großer Schritt Richtung Meisterschaft“, sagte Trainer Ottmar Hitzfeld.
Sie können sich aussuchen, wann sie Meister werden
Die Konkurrenz ist ohnehin zu instabil, schwächelt und zeigt Nerven wie der HSV beim 0:1 in Stuttgart. Sie dominieren die Liga nach Belieben, können sich je nach Vorsprung aussuchen, an welchem Spieltag – ein Heimspiel wäre freilich für die Fans schöner – Meister werden können.
Ganz anders die Situation im Uefa-Cup: Nach dem 1:1 gegen Getafe hilft am Donnerstag nur ein Sieg (oder ein 2:2) zum Erreichen des Halbfinals. Eine Aufgabe, die gegen den aktuellen Tabellen-Zwölften der Primera Division zu lösen sein müsste. Denn verglichen mit den Größen, die an diesem Dienstag und Mittwoch in der Champions League spielen, ist der Vorortklub Getafe eine kleine Nummer. Und das Selbstverständnis der Bayern ein ganz anderes. Mit dem neuen Coach Jürgen Klinsmann wollen sie in der kommenden Saison auch in Europas Liga der Besten glänzen. Die Bayern anno 2008: Zu gut für die Liga – aber auch schon reif für die Champions?
Die AZ befragte Ex-Bayern-Profis:
Bulle Roth (322 Bundesligaspiele von 1966-78):
„Ich habe ja schon vor der Saison gesagt, dass die Bayern mit mindestens zehn Punkten Vorsprung Meister werden. Die veräppeln ja quasi die Konkurrenz, spielen Katz und Maus mit ihr. Warum sollten sie im nächsten Jahr nicht auch die Champions League gewinnen? Die Vorrunde sollte für die Mannschaft da nur Geplänkel sein. Es gibt ja auch keine Übermannschaften in der Königsklasse. Nächstes Jahr sind die Bayern noch besser eingespielt, werden unter Klinsmann gewiss auch noch einige Hochkaräter verpflichten.“
Thomas Strunz (156 Bundesligaspiele von 1989-92 und 1995-2000):
„Ich glaube nicht, dass die Bayern grundsätzlich zu gut sind für die Liga. Dass sie schlagbar sind, hat ja Cottbus gezeigt (vor drei Wochen verlor Bayern in Cottbus mit 0:2, d.Red.). Aber in der Meisterschaft wird trotzdem nichts mehr anbrennen. In der Champions League kann schnell das Aus kommen. Schon im Uefa-Cup war für die Bayern ja nicht alles Gold. Gegen Getafe und auch in Belgrad (3:2) haben sie sich ganz schon abgemüht. Im Vergleich zu den Topligen in Italien und Spanien hängen wir Deutschen da einfach deutlich hinterher.“
Klaus Augenthaler (404 Bundesligaspiele von 1977-91):
„Die Bayern sind einfach eine Klasse für sich und in der Meisterschaft ganz klar durch. Weil sie einfach stabiler sind als die Konkurrenz. Selbst wenn sie schlecht spielen, so wie zu Hause gegen Duisburg oder Frankfurt (jeweils 0:0, d.Red.) haben sie gepunktet. Ich sehe Bayern nicht weit weg von Barca und Milan, sie sollten auch in der Champions League eine gute Rolle spielen. Schon jetzt ist die Mannschaft stark, und unter Klinsmann wird sicher noch mal nachgebessert bei der Qualität der Spieler .“
Lothar Matthäus (302 Bundesligaspiele von 1984-88 und 1992-2000):
„In der Bundesliga sind die Bayern praktisch durch, der Titel fast schon gebucht. Am Donnerstag steht mit dem Rückspiel bei Getafe der erste richtig große Test dieser Saison an, weil sie unter Druck stehen. Aber ich kann nur warnen: Schon im Hinspiel hat sich bestätigt, dass die Spanier eine sehr spielstarke und spielintelligente Mannschaft haben. Aber wer in der Champions League bestehen will, muss Getafe ausschalten.“
P. Strasser, C. Paschwitz