Zeit, dass sich was dreht

2011 im Halbfinale von Wimbledon, ist  Sabine Lisicki vor ihrem Auftaktmatch am Montag weit entfernt von der früheren Form.
von  Jörg Allmeroth

2011 im Halbfinale von Wimbledon, ist Sabine Lisicki vor ihrem Auftaktmatch am Montag weit entfernt von der früheren Form

London - Es war eine Laune des Zufalls, im letzten Wimbledon-Jahr. Denn gerade als die stolze Wild Card-Starterin Sabine Lisicki (trifft in diesem Jahr am Montag in der ersten Runde auf die Kroatin Petra Martic/Sky, live ab 12.30 Uhr) damals nach ihrem Halbfinaleinzug bei den All England Champions ins Spielerzentrum zurückgekehrt war, lief sie einem kroatischen Riesen über den Weg, dessen Gesicht und Geschichte sich unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis dieses Turniers eingebrannt haben.

Natürlich: Goran Ivanisevic war es, der da auf Lisicki stieß, der einzige Spieler, der je mit einem Freiticket der Veranstalter den berühmtesten, ruhmreichsten Wettbewerb der Welt gewonnen hatte, 2001 gegen den Australier Pat Rafter in einem denkwürdigen Finale am Montag. „Kompliment, ein Superturnier”, sagte Ivanisevic also zu der jungen Deutschen, dabei eine leichte Verbeugung andeutend, „das ist ja wirklich eine verrückte Geschichte.”

Tatsächlich: Die Lisicki-Story war die erstaunlichste Story bei den 125. Offenen Englischen Meisterschaften, aber in der hektischen, schnelllebigen Welt des professionellen Wanderzirkus scheint sie nun auch wieder eine gefühlte Ewigkeit zurückzuliegen. Umso mehr, da die blonde, lebenslustige Berlinerin ausgerechnet vor der Rückkehr zum Schauplatz des strahlenden 2011er Auftritts in einer Krisenlage steckt. Nach einer im April erlittenen Knöchelverletzung, kommt die 22-jährige Deutsche buchstäblich nicht mehr in Tritt - statt Selbstbewusstsein vor dem wichtigsten aller Grand Slam-Turniere zu tanken, verlor Lisicki bei den letzten vier Toureinsätzen jeweils gleich zum Auftakt.

„Ich muss körperlich und mental erst wieder Anschluß an die Weltspitze finden”, sagt Lisicki. Wobei es der bekanntermaßen ehrgeizigen Deutschen schwer genug fällt, die eigenen Schwächen zu tolerieren - und Hoffnungen auf ein ungewisses Morgen zu tagen. Die Erstrundenaufgabe gegen die aufstrebende Kroatin Petra Martic dürfte da äusserst heikel und kompliziert werden, allemal ein Nervenspiel.

Fast wirkt Lisickis Wimbledon-Anlauf wie jener des Vorjahres, ein Sprung ins Unbekannte, eine Mission ohne jegliche Gewissheiten und Sicherheiten. Zwar startet sie als eine der nominell Etablierten und Großen der Szene, eben von jenem Weltranglistenplatz 15 aus. Doch wo sie 2011 mächtig und unwiderstehlich aus der Tiefe des Raumes kam, als krasse Außenseiterin, und irgendwie nur gewinnen konnte als Comeback-Künstlerin nach langer Tennispause, droht nun als Folge einer insgesamt wenig glücklich verlaufenen Saison ein empfindlicher Absturz in der WTA-Tabelle. Um vorne dran bleiben zu können, an den Superstars der Brache, müsste Lisicki schon einen Großteil ihrer im Vorjahr fürs Halbfinal-Mitwirken gewonnenen Punkte verteidigen.

Heißt: Die zweite Turnierwoche erreichen, wenigstens einmal die drei ersten Runden überstehen und dabei der jährlich auftretenden realen Rasen-Allergie trotzen. Hoffnung zieht Lisicki aus den Auftritten vom Vorjahr, als sie unter anderen die French-Open-Síegerin Li Na bezwang. „Ich denke manchmal an dieses Spiel, an diese Situation zurück”, sagt Lisicki nun, „und das gibt mir auch Kraft. Und die Hoffnung, dass sich in Wimbledon alles wieder dreht für mich.” 

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