Zahlinger Ausquetscher
Köln - Den Weihnachtsbaum könnte Stefan Bradl auch gut im Kraftraum aufstellen. Denn dort trainiert der Moto2-Weltmeister vor den Feiertagen die meiste Zeit. Der Zahlinger bereitet sich auf den Saisonstart in der MotoGP, der Königsklasse, vor. „Ich muss mir noch ein paar Muckis antrainieren”, sagt Bradl. Gut 60 Kilo wiegt Bradl, 1,70 ist er groß. Kraftprotze sehen anders aus. „Bislang bin ich rund 140 PS gefahren, dann werden es 240 PS sein. Bei annähernd demselben Gewicht der Maschine. Die beschleunigt von 0 auf 200 in fünf Sekunden. Da braucht man enorm viel Kraft, um sich festzuhalten”, sagt der 21-Jährige. Sebastian Vettels „Kinky Kylie” schafft dies mit ihren 750 PS erst nach rund sechs Sekunden.
Am 31. Januar 2012 wird es ernst für den Zweirad-Weltmeister. Drei Tage lang testet Bradl in Sepang/Malaysia mit seinem neuen Team LCR. Zum ersten Mal wird er auf der neuen Honda RC213V sitzen. Simulatoren gibt es nicht. Die Realität ist der Test.
Schon unmittelbar nach dem WM-Coup hatte Bradl in Valencia das LCR-Modell der abgelaufenen Saison zwei Tage lang gefahren und dabei voll überzeugt. Aber auch die Tücken des neuen Teams bemerkt: „Da spricht kein einziger einen Brocken deutsch”, erzählt Bradl schmunzelnd: „Aber es sind sympathische Typen und ich Freude mich drauf, wenn es endlich los geht.” Neue Amtssprache im Team ist übrigens Englisch.
In den kommenden zwei Jahren wird der Zahlinger für das Honda-Satellitenteam des früheren Piloten Lucio Cecchinello an den Start gehen und sich auf der Strecke mit Stars wie dem neunmaligen Weltmeister Valentino Rossi messen. „Das innerliche Feuer brennt und wird von Tag zu größer, es kribbelt immer mehr. Ich Freude mich, die Motivation ist riesengroß, auf mein Arbeitsgerät zu steigen und es auszuquetschen”, sagt Bradl. Deutsche Formel-1-Weltmeister geben ihren Autos Frauennamen. Bradl tut das nicht. „Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, meinem Fahrzeug einen Namen zu geben”, erzählt Bradl, wenn er auf diese Marotte von Sebastian Vettel angesprochen wird: „Für mich ist das ein Gegenstand, der das macht, was ich ihm sage. Und wenn ich einen Fehler mache, bin ich schuld. Bei uns entscheidet mehr der Fahrer.” Einen stolzen vierten Platz belegte Bradl junior bei der Wahl zum Sportler des Jahres 2011. Vor ihm: Tischtennis-Europameister Timo Boll, Sebastian Vettel und der Sportler des Jahres Dirk Nowitzki.
Der hatte mit seinem NBA-Triumph dem Basketball hierzulande zumindest einen Mini-Hype verschafft. Der deutsche Motorradsport wartet darauf seit Jahren vergeblich. Zuletzt hatten die Hoffnungen 2007 auf dem heutigen TV-Kommentator Alex Hoffmann geruht. Bradls Chancen, den Zweiradsport in den Fokus zu rücken, scheinen besser.
„Ich habe dagegen gar nichts”, sagt Bradl: „Nur ob und wann ist die Frage.” Die Saison startet am 15. April in Katar. Bradl stapelt tief: „Ich bin Rookie, muss noch viel lernen.” So redet ein Anfänger. „Mein Ziel sind Platzierungen zwischen Platz fünf und acht. Das ist realistisch, das ist machbar.” So redet der Sohn von Helmut Bradl, 250-ccm-Vizeweltmeister von 1991: „Und übers zweite Jahr haben wir ja noch nicht gesprochen.”