Wunder dauern länger
MÜNCHEN - Jürgen Klinsmann erlebt beim 2:2 gegen den Hamburger SV den erwartet holprigen Start und muss feststellen: Das Fundament seiner Truppe steht noch lange nicht bebensicher. Die Fans feiern beim Bundesliga-Auftakt indes Klinsmann-Vorgänger Ottmar Hitzfeld.
Jürgen Klinsmann ist ja clever. Er hat nichts versprochen, was seine Bayern nicht gehalten hätten zum Start in die neue BundesligaSaison. 2:2 nach 2:0-Führung gegen den HSV, das klingt zwar wenig ermutigend. Aber war es nicht der neue Trainer selbst gewesen, der Startprobleme prognostiziert hatte? Also lächelte Klinsmann. Klar, ein Sieg sei ihm lieber gewesen, sagte er, fühlte sich aber bestätigt: „Das war ein guter Schritt nach vorn. Dass wir noch nicht imstande sind, überall Druck zu machen, ist normal. Das kommt automatisch in den nächsten Wochen.“ Wer Wunder erwartet hatte, soll nicht gleich enttäuscht sein: Wunder dauern etwas länger, auch bei Klinsmann und den Bayern. Vielleicht erst recht bei ihnen.
Mit einem Schlag war ja am Freitagabend alles dahin, was so lange präsent gewesen war. Es genügte ein Blick auf den Spielberichtsbogen: kein Buddha fand sich dort, kein Hinweis auf Wohlfühloasen oder Schuhbeck-Kulinarik (freilich auch keiner auf Ribéry, Toni, Demichelis, Altintop, die verletzt fehlten). Den Südkurven-Fans schien die Besinnung auf urigen Purismus zu behagen. Die fackelgesäumte Eröffnungsshow mit dem rührenden Opern-Sänger Paul Potts grölten sie fröhlich nieder. Und flippten schier aus, als Bastian Schweinsteiger mit bayerischer Urgewalt das 1:0 (12.) erzielte. Da rüttelte auch Klinsmann die Fäuste, sprang vor der Bank umher und gerierte sich, als hätte er das Tor selbst erzielt.
Überhaupt, Klinsmann. Bei der Ankunft in der Allianz Arena, lächelnd und mit drei großen Taktik-Flipcharts zusammengerollt unterm Arm, hatte er noch ausgesehen wie ein Architekt. Verbal und per Video habe der Coach die Mannschaft eingestimmt, verriet Schweinsteiger später. Nun, im Spiel, gab sich Klinsmann burschikos wie ein Maurer: Mit aufgekrempelten Ärmeln und oft so heftig herumtigernd, dass der Trainerjob zum Knochenjob geriet.
Weil er spürte, dass das Fundament seiner Truppe nicht bebensicher steht? Bayern wirkte – wie beim mühsamen 4:3 im Pokal gegen Erfurt – erneut anfällig in der Defensive. Wenigstens hatte Lukas Podolski per Strafstoß auf 2:0 erhöht (16., Mathijsen hatte zart an Schweinsteiger gezupft), ehe auch der HSV traf. Flanke von Piotr Trochowski, Kopfball von Paulo Guerrero, drin!
Das 2:1 (25.), das Klinsmann zurück in seinen Sitz drückte, war nicht unverdient. Trochowski hatte zuvor den Pfosten getroffen (11.), mehrmals hatte Bayerns Deckung unsortiert gewirkt. Uli Hoeneß hatte es neben Klinsmann auf der Bank mit Sorgenmiene verfolgt. „Ganz normal, völlig okay“, so beschrieb der Manager hinterher die Kommunikation mit dem Neuen. Und gab die Schuld für den verpassten Sieg der Offensive: „Vorn hat einer gefehlt wie Luca Toni, der bei jeder Chance da ist.“
Tatsächlich hatte Podolski das mögliche 3:1 leichtfertig ausgelassen (49.). Stattdessen kassierte Bayern das 2:2 durch Trochowski (57.), abermals per Foulelfmeter. Diesmal hatte Lell gegen Olic den Arm ausgefahren, und wie beim ersten Strafstoß folgte Schiedsrichter Kinhöfer einer neuen Verbands-Anweisung, derlei Kleinigkeiten mit Elfer zu ahnden. Da kommt wohl noch etwas zu auf die Liga. Und auf Klinsmann? Dessen Vorgänger Ottmar Hitzfeld war auch gekommen, um sich als „Trainer des Jahres“ ehren zu lassen. Die Fans hatten ihn mit Ovationen („Du bist der beste Mann!“) gefeiert. „Ich Freude mich, dass ich meine Mannschaft mal wieder sehen kann“, griente Hitzfeld, jetzt Schweizer Nationaltrainer, „dann haue ich wieder ab.“ Klinsmann bleibt noch. ill, ps