Wrestling-Wahnsinn in Dallas: Die Soap für Männer

Drama, Komödie, Gefahr – und jede Menge Show: Bei Wrestlemania, dem größten Wrestling-Event der Welt, kommen mehr als 100 000 Fans ins Stadion. Die AZ hat sich das Spektakel in Dallas angeschaut.
Maximilian Koch |
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Spektakel vor 101 763 Zuschauern: Wrestlemania lockt Jahr für Jahr Fan-Massen an. Der Grund sind solch spektakuläre Aktionen wie bei diesem Leiter-Match.
WWE Spektakel vor 101 763 Zuschauern: Wrestlemania lockt Jahr für Jahr Fan-Massen an. Der Grund sind solch spektakuläre Aktionen wie bei diesem Leiter-Match.

Dallas - Hier draußen, rund um das riesige AT&T Stadium 30 Kilometer westlich von Dallas, Texas, kann man die Wrestling-Begeisterung sehen, hören und sogar riechen. Auf den Parkplätzen vor der Arena, in der sonst die Footballer der Dallas Cowboys ihre Partien austragen, haben viele Fans ihre Grills aufgebaut. Es raucht an einigen Stellen so heftig wie beim Einmarsch des legendären Undertaker später im Innenraum. Laute Musik dröhnt aus den Pick-ups, deren Ladeflächen heute als Tanzflächen genutzt werden. Volksfeststimmung auf Amerikanisch – oder einfach nur: Wrestlemania.

Einmal im Jahr macht die größte Wrestling-Show der Welt aus vernünftigen Familienvätern völlig durchgedrehte Fans: Mit Gesichtsbemalung, Waffenattrappen und – ganz an das Outfit des Lieblingswrestlers angelehnt – nur mit Unterhose bekleidet rennen einige ins Stadion, wo sie für das günstigste Ticket 200 Dollar zahlen. Und dafür den Ring kaum sehen, weil sie hunderte Meter weit weg sitzen. Wer ganz nah dran sein möchte, muss einen vier- bis fünfstelligen Betrag zahlen. Ach ja, und für die Parkplätze, die Grillzone der Amis, werden für diesen April-Sonntag 50 Dollar verlangt. Wahnsinnig? Ein bisschen ganz sicher. Aber das ist es den Fans wert.

 

Wrestlemania lockt mehr als 100 000 Fans

 

„Wir wollen heute dabei sein, wenn Geschichte geschrieben wird“, sagt ein Mann, dessen Alter nicht zu erahnen ist, weil sein Gesicht durch eine leuchtende Maske verdeckt wird. Kalisto, ein amerikanischer Wrestler mexikanischer Abstammung, trägt wenig später eine ähnliche Maske im Ring. Doch der Fan ist nicht wegen Kalisto gekommen, der ein eher unbeachtetes Match am Anfang der fast sechsstündigen Show gewinnt. Der Mann will einen Moment Wrestling-Geschichte miterleben, und das gelingt ihm: 101 763 Zuschauer kommen an diesem Tag tatsächlich ins AT&T Stadium, so viele wie nie zuvor in der Wrestlemania-Geschichte.

Warum schauen sich erwachsene Leute Wrestling an? Warum drehen sie so durch und zahlen so viel Geld dafür? Ist doch eh alles vorher abgesprochen, der Sieger steht fest, für den Kampfverlauf gibt es genaue Skripte. Die WWE, das große Wrestling-Unternehmen in den USA, das Wrestlemania und weitere Großveranstaltungen regelmäßig austrägt, weiß um diese Fragen. Nervös wird man deshalb nicht mal im Ansatz. „Es ist die beste Unterhaltung, die es gibt“, sagt Stephanie McMahon, Markenchefin der WWE und Tochter von WWE-Boss Vince McMahon, die im Hintergrund an den Millionen-Deals mitwirkt, ganz unbescheiden. Dass es sich um Schaukämpfe handelt, also um eine Mischung aus Sport und ganz viel Halligalli, trägt die WWE offen nach außen.

Denn sie erfährt großen Zuspruch von ihren Anhängern. Und sie verdient gut mit ihrem Geschäftsmodell: 2015 betrug der Umsatz mehr als 650 Millionen Dollar. Weltweit zählt die WWE mehr als 100 Millionen Fans. Wrestling, das in Deutschland vor allem in den 1980er und 1990er Jahren eine Hochphase erlebte, zieht noch immer. „Du hast hier alles, Drama, Kömödie, Überraschungen“, meint Stephanie McMahon. John Cena, einer der Topstars der Szene, vergleicht den Stellenwert von Wrestlemania mit dem einer Fußball-Weltmeisterschaft oder des Super Bowl. „Wir verkaufen hier Gut gegen Böse. Du tauchst so tief in diese Geschichten ein, dass du dich darin verlierst.“

 

Wahnsinn bei Undertaker-Match

 

Eine treffende Erklärung, um den Erfolg der WWE zu beschreiben. In Zeiten, in denen TV-Serien wie Game of Thrones boomen, bietet das Wrestling-Unternehmen seine ganz eigene, spezielle Seifenoper an. Eine „Soap für Männer“ nannte Rapper Eko Fresh Wrestling kürzlich im Interview bei „web.de“. „Beim Fußball sage ich oft zu meinen Freunden: Leute, das sind Multimillionäre, denen ist egal, ob ihr euch darüber freut. Die machen das für sich. Beim Wrestling habe ich aber das Gefühl, dass der Athlet das für mich, für den Zuschauer macht.“

Das Risiko jedenfalls, das die Wrestler eingehen, ist ungleich höher als in anderen Sportarten. Viele Stars sind früh gestorben, legendäre Wrestler wie der Ultimate Warrior oder Macho Man Randy Savage, etliche von ihnen wegen Herzproblemen nach jahrelangem Anabolika-Missbrauch. Und auch heute, da die WWE vor allem Familien in ihre Hallen locken will, ist die Gefahr immer präsent.

Beim Match des Undertaker wirft sich dessen Gegner Shane McMahon von einem sechs Meter hohen Stahlkäfig. Den Fans in der Halle stockt der Atem, der dreifache Familienvater, der zuvor mit seinen Kindern zum Ring gekommen ist, liegt zunächst regungslos am Boden. Doch er übersteht die – trotz Skript – hochriskante Aktion unverletzt. Es ist der Höhepunkt einer Show, in der auch Basketball-Legende Shaquille O’Neil einen kleinen Auftritt hat. „Wahnsinn“, hört man später viele Fans beim Verlassen der Arena sagen. Sie tragen stolz ihre Stühle unter dem Arm, die sie als Andenken mitnehmen durften. Einige werden wohl in einem Jahr wiederkommen, für einen Ausflug in diese schrille, unterhaltsame und verrückte Welt.

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