Wörndl über Rebensburg: „Ein g’schlampertes Genie”
SCHLADMING Den WM-Lauf von Are hat Frank Wörndl noch genau vor Augen: „Die Vicky ist als völlig unbekannte Läuferin nachnominiert worden und hat im zweiten Durchgang einen wahnsinnsverrückten Risiko-Lauf auf Platz acht hingelegt: Laufbestzeit!” Wörndl, der Slalom-Weltmeister von 1987, kommentierte 2007 die Sternstunde der damals 17-jährigen Viktoria Rebensburg für den Sender „Eurosport”, für den er auch heute am Start ist, wenn die Tegernseerin nun mit ganz anderen Voraussetzungen ins Rennen (10/13.30 Uhr, ZDF und Eurosport) gehen wird: als eine der Favoritinnen auf Riesenslalom-Gold.
„Bei ihr ist alles drin: von Gold bis In-die-Hose-gehen”, glaubt Wörndl. Für den Allgäuer ist Rebensburg seit Are „die beste deutsche Riesenslalom-Läuferin. Wenn sie alles zusammen bringt, ist sie schwer zu schlagen.” Rebensburg selbst sagt: „Die Konkurrenz ist sehr stark, und ich war in dieser Saison nicht so konstant wie die zwei Jahre zuvor.” In den beiden vergangenen Jahren gewann sie die Gesamtwertung im Riesenslalom, doch die hat ihr heuer Tina Maze abgeluchst. Rebensburg sagt: „Ich habe bislang einen Sieg, einen zweiten und einen dritten Platz. Aber es gab eben auch zwei Ausfälle und den 15. Platz in Courchevel. Für mich ist die Favoritin Tina Maze. Auch Anna Fenninger und Tessa Worley schätze ich sehr stark ein.”
Auch Wörndl sieht die kleine Französin Worley sowie Katrin Zettel vorn: „Bei diesen eisigen Verhältnissen sind die wendigen, flinken Fahrerinnen im Vorteil. Aber Vicky kann schwierige Hänge. Sie hat genügend Selbstsicherheit.” Und das gerade auf diesem diffizilen Hang: Beim Saisonfinale im vergangenen Jahr gewann Rebensburg in Schladming Riesenslalom und Super-G. Doch Wörndl warnt: „Es ist zwar derselbe Hang, aber es sind komplett andere Verhältnisse.” Bei Rebensburgs Doppelsieg pflügten die Läuferinnen durch wachsweiche Frühlingspampe, jetzt glitzert der vereiste Hang wie eine Glatze.
„Die Vicky hat die Umstellung auf die neuen Ski noch nicht hundertprozentig geschafft”, glaubt Wörndl, „sie hat ein bisschen von ihrer Sicherheit verloren, deshalb die zuletzt so schwankenden Ergebnisse. Aber das ist ein rein technisches Problem. Ich habe nur ein bisschen Sorge wegen ihres g’schlamperten Genies: Sie lässt den Außenski schon mal gern weglaufen – das ging mit den alten Skiern noch, weil die besser gegriffen haben. Sie muss die Tore nun ein bisschen früher anfahren.”
Nach Platz acht zum WM-Auftakt vor einer Woche im chaotischen Super-G fuhr Rebensburg nach Hause, an den Tegernsee: Füße hochlegen, Kino, Kaffee und Kuchen. Sie sagt: „Es war lustig. Die anderen haben sich reingehauen im Kampf um Medaillen, und ich war daheim. Das war mal eine andere Erfahrung, irgendwie komisch, aber auch cool.” Im Team-Wettbewerb, bei dem die DSV-Mannschaft Bronze holte, starteten andere, was sie offenbar nicht weiter grämte: „Ich wäre schon gerne gestartet, aber das war eher ein Parallel-Slalom als ein Parallel-Riesenslalom wie bei manchen vergangenen Rennen. Deshalb war es mannschaftsdienlicher, dass da jemand oben stand, der auf so einem Hang besser Ski fährt als ich.”
In ihrer Lieblingsdisziplin gibt es nicht viele, die besser Ski fahren als sie. Auch nicht Tina Maze, glaubt Wörndl. Die Kroatin hat zwar vier der letzten sieben Riesenslaloms gewonnen, „ist aber ein bissl müde und getroffen von den Niederlagen in Kombination und Abfahrt. Das hat ihr grenzenloses Vertrauen erschüttert”. Gute Chancen also für Viktoria Rebensburg.
Und Maria Höfl-Riesch? Könnte mit einer Silbermedaille Geschichte schreiben: Den kompletten WM-Medaillensatz haben erst zwei Läuferinnen gewonnen, die Schweizerinnen Anny Ruegg (1935) und Frieda Dänzer (1958). Der „Riesen” war lange Höfl-Rieschs Problemdisziplin, die einzige, in der ihr ein Weltcup-Sieg und eine WM-Medaille fehlt. Zuletzt war sie zweimal Vierte im Weltcup. Sie sagt: „Ich bin gut drauf im Riesen. Es wird schwierig und spektakulär, aber nichts ist unmöglich.” Na dann.