WM im TV: Sensationelle Frauen-Quote
Über 14 Millionen sehen den 2:1-Sieg der Nationalmannschaft gegen Kanada im Fernsehen: Absoluter Rekord. Manch einer träumt vor lauter Euphorie gar schon vom zweiten Sommermärchen
BERLIN Am Tag danach hat Doris Fitschen große Augen gemacht. Dass die Managerin der Nationalmannschaft auf einem erleuchteten Podium sitzt und in einem Berliner Autohaus Fragen von Medienvertretern beantwortet, die sonst über Ballack oder Schweinsteiger berichten, ist die 42-Jährige ja gewohnt. Aber nicht solche Zahlen. Im Durchschnitt 14,09 Millionen sahen das Auftaktspiel der Frauen-WM, das 2:1 gegen Kanada, in der ARD.
Nach Senderangaben entsprach das einem Marktanteil von 58 Prozent. Nie zuvor hatten in Deutschland so viele Fernsehzuschauer ein Frauenfußballspiel verfolgt – das meiste waren bisher 10,36 Millionen beim Endspiel Deutschland gegen Schweden beim WM-Finale 2003 (siehe Infokasten rechts). „Und dazu wird im ganzen Land gefeiert. Das ist Gänsehaut pur”, sagte Fitschen. „Da bekommt das Wort Frauenquote eine ganz neue Bedeutung.”
„Besser hätte die WM kaum beginnen können. Ein volles Olympiastadion, eine tolle Kulisse, eine stimmungsvolle Eröffnungsfeier, ein gutes Spiel und ein Sieg unserer Nationalmannschaft – was will man mehr als DFB-Präsident?”, sagte Theo Zwanziger. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel klatschte beim Eröffnungsspiel begeistert in die Hände und meinte zur Halbzeitpause: „Eine wunderbare Kulisse, ein faires Publikum. Als Auftakt wunderbar.” OK-Präsidentin Steffi Jones: „Unsere Hoffnungen, dass der Funke aus den Stadien auf das Land überspringt, scheint sich zu erfüllen.”
Und plötzlich scheinen auch Skeptiker daran zu glauben, dass sich so etwas ähnliches – wenn auch in abgeschwächter Form – wiederholen kann wie vor fünf Jahren. „Ich will den Vergleich mit den Männern nicht”, sagte Doris Fitschen, doch auch sie hatte ja mitbekommen, dass schon die Anfahrt mit dem Mannschaftsbus von einem Hubschrauber begleitet wurden, dass Fans in der Hauptstadt am Rande standen und winkten. Zehntausende jubelten bei Public Viewings – die meisten davon an der Fanmeile am Frankfurter Mainufer.
Und auch die Stimmung im Olympiastadion war am Sonntag weltmeisterlich gewesen. „Ehrlich gesagt, hatte ich schon beim Warmlaufen nur noch Gänsehaut”, flötete Fatmire Bajramaj, während Zimmerkollegin Celia Okoyino da Mbabi von den Gefühlen überwältigt war. „Das war einfach wunderbar. Die Trainerin hätte mich überall hinstellen können – auch ins Tor.”
Doch schon nach der Landung am Montag in Frankfurt ging Bundestrainerin Silvia Neid zur Fehleranalyse über, um am Donnerstag gegen Nigeria (20.45 Uhr) keine unliebsame Überraschung zu erleben. „Wir haben einige Dinge nicht richtig gemacht, teilweise zu unruhig gespielt.” Die ausgewechselte Mannschaftsführerin Birgit Prinz hatte bereits nach der Partie den Finger in die Wunde gelegt. „Wir haben uns nicht glücklich angestellt. Und ich kam auch nicht gut ins Spiel.” Sondern ihre 13 Jahre jüngere Konkurrentin Alexandra Popp. Doch ob Prinz oder Prinzessin diesem Team besser tun – das bleibt angesichts der überbordenden Begeisterung ein Randthema. Linda Bresonik: „Das war Reizüberflutung pur. Einfach gigantisch, bombastisch. So geht Fußball zum Wohlfühlen.”
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