„Wladimirs Schläge erschüttern die Seele“

Klitschko-Trainer Johnathon Banks spricht exklusiv in der AZ über seinen Schützling, den Gegner Tyson Fury, über Kontrollfreaks und niveaulose Sprüche.      
von  Matthias Kerber
Volltreffer! Weltmeister Wladimir Klitschko (r.) gegen Kubrat Pulev.
Volltreffer! Weltmeister Wladimir Klitschko (r.) gegen Kubrat Pulev. © imago

Klitschko-Trainer Johnathon Banks spricht exklusiv in der AZ über seinen Schützling, den Gegner Tyson Fury, über Kontrollfreaks und niveaulose Sprüche.

AZ: Herr Banks, Ihr Schützling Wladimir Klitschko bekommt am Samstag Tyson Fury vor seine Stahlhammer-Fäuste. Der verkündete vollmundig, dass Klitschko noch nie so einen Boxer wie ihn erlebt hätte.

JOHNATHON BANKS: Das ist nicht erstaunlich, denn soweit ich weiß, gibt es noch keinen Klonvorgang bei Menschen, also ist jeder Mensch, jeder Boxer anders. Aber Spaß beiseite: Das ist der Grund, warum Wladimir einen Trainer hat. Wir entwickeln Kampfstrategien, die auf den Gegner zugeschnitten sind. Oder glaubt jemand, dass man gegen Mike Tyson mit der gleichen Strategie antreten würde wie gegen Lennox Lewis? Aber was will Fury uns mit dem Satz sagen? Ja, Wladimir hat noch nicht gegen ihn geboxt. Aber vor allem – und viel wichtiger: Fury hat noch nie mit einem Mann wie Wladimir im Ring gestanden. Er ist der ehrgeizigste, der beste, der muskulöseste, der erfolgreichste, der am härtesten schlagende Boxer der Welt.

Was erwarten Sie von Fury? Er ist ja ein Fighter, der versucht, seine Gegner aus dem Konzept zu bringen, der etwa ständig die Auslage wechselt.

Viel Glück dabei, Wladimir aus dem Konzept zu bringen. Wladimir schlägt so hart, seine Schläge erschüttern die Seele. Und immer, wenn ein Boxer in Schwierigkeiten gerät, macht er das, womit er groß geworden ist. Wenn er in solchen Situationen Sachen macht, die nicht seiner Natur entsprechen, verwirrt er sich selbst mehr als den Kontrahenten. Fury hat über 40 Kilo abgenommen, weil er plötzlich schnell sein will. Wenn einer glaubt, im Moment, in dem er die große Bühne betritt, alles verändern zu müssen, hat er offensichtlich kein Vertrauen in das, was ihn dorthin gebracht hat.

Fury ist mit 2,07 Meter größer als Klitschko. Doch bei jedem Aufeinandertreffen wirkt es so, als wäre er geschrumpft.

Danke, dass das mal jemand erkennt. Wladimir wächst, je näher er einer Aufgabe kommt, bei Tyson hat man den gegensätzlichen Eindruck. Bei der ersten Pressekonferenz versuchte er, Wladimir mit seiner Größe zu beeindrucken. Wenn sie sich jetzt gegenüberstehen, sind sie fast auf Augenhöhe. Das ist ein psychologisches Element. Die Größe mag noch in deinen Worten sein, aber entscheidend ist, was im Kopf passiert. Tyson hat Wladimir einen Kontrollfreak genannt. Der einzige Mensch, der einem anderen vorwirft, ein Kontrollfreak zu sein, ist selber einer. Fury sieht, dass die Mätzchen nichts bringen, er hat keine Macht, keine Kontrolle über Wladimir. Aber man darf ihn sicher nicht unterschätzen, er wird sein Heil nicht in der Flucht suchen. Er wird angreifen. So, wie es Kubrat Pulev getan hat.

Den Klitschko dann in der 5. Runde ausgeknockt hat.

Stimmt. Ich erwarte einen ähnlichen Kampf.

Hat sich Wladimir verändert, seit er vor einem Jahr Vater wurde? Sein Bruder Vitali hat mal gesagt, dass er als Vater härter zugeschlagen hat, weil er jetzt nicht nur für sich selber kämpfte.

Das gefällt mir. Aber zu Wladimir: Nein, er hat sich als Boxer nicht verändert. Motivation findest du nur in dir. Nur du kannst dich motivieren, die Qualen, die Schmerzen, das Blut, den Schweiß, als Teil des Berufs zu akzeptieren. Diese Motivation ist bei ihm die gleiche. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Motivation und Inspiration. Seine Tochter inspiriert ihn. Seine Motivation ist die gleiche, seine Inspiration für sein Tun ist größer.

Stören Sie die Sprüche, die Fury dauernd absondert? Gegen Wladimir? Aber auch gegen Homosexuelle?

Das stört mich nicht. Sprücheklopfen gehört zum Boxen. Ich war – seit ich klein bin – immer von Boxern umgeben. Boxer haben stets ihren Mund aufgerissen. Soll er reden. Ich kann mich noch an einen jungen, wilden Boxer erinnern, der mit einem Bus vor dem Haus des Champions vorgefahren ist und mitten in der Nacht wildhupend Beleidigungen ausstieß.

Muhammad Ali, der damals noch Cassius Clay hieß.

Richtig. Fury ist nicht der Erste, der das macht und auch nicht der Beste, der es macht.

Wladimir wird immer noch stark kritisiert, obwohl er seit über einem Jahrzehnt Weltmeister ist. Warum kriegt er nicht die Anerkennung?

Ich weiß es nicht. Aber er ist nicht der erste Boxer, dem das widerfährt. Das war bei Joe Louis nicht anders. Erst nachdem sie die Karriere beendeten, sprachen die Leute davon, was das für große Boxer waren. Bei Vitali sieht man das jetzt. Zu Recht! Er ist einer der fünf besten Schwergewichts-Champions aller Zeiten. Er hat das beste Kinn der Welt. Nie ausgeknockt, nie am Boden. Und Wladimir? Ich bin mir sicher, dass er sich auch noch den letzten Gürtel. . .

. . .den des Verbandes WBC, den zur Zeit der Amerikaner Deontay Wilder hat.

Richtig, dass er sich diesen Gürtel holen wird. Er wird dann der unumstrittene Weltmeister aller Verbände sein. Das gab es lange nicht mehr – und das wird es noch viel länger nicht wieder geben.

 

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