Wladimir Klitschko: "Ich hätte Angst vor mir!"

Wladimir Klitschko verteidigt seinen Titel gegen Tyson Fury. Dem wirft er in der AZ vor, ein paar „Schrauben locker“ zu haben – und verspricht eine schmerzhafte Stahlhammer-Therapie.  
Matthias Kerber |
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Weltmeister Wladimir Klitschko (l.) und Trainer Johnathon Banks.
imago Weltmeister Wladimir Klitschko (l.) und Trainer Johnathon Banks.

Wladimir Klitschko verteidigt seinen Titel gegen Tyson Fury. Dem wirft er in der AZ vor, ein paar „Schrauben locker“ zu haben – und verspricht eine schmerzhafte Stahlhammer-Therapie.

AZ: Hallo, Herr Klitschko, Hand aufs Boxerherz: Sind Sie ein Kontrollfreak?

WLADIMIR KLITSCHKO: Wieder eines dieser Stereotype, mit denen mich mein Gegner Tyson Fury belegt hat. Man muss das Wort in seine Komponenten zerlegen. Ich mag die Bezeichnung Freak nicht, aber Kontrolle zu haben, mag ich. Denn das heißt nur, dass man sich um jedes Detail kümmert, dass man nichts dem Zufall überlässt. Kontrolle zu haben, bedeutet eigentlich nichts anderes, als professionell zu sein.

Verfolgen Sie all das, was Sprücheklopfer Tyson Fury so absondert?

Nein. Manches kriegt man mit, aber, wenn ich mir die gesamten Ergüsse von Tyson antun würde, käme ich nicht zum Schlafen, nicht zum Trainieren. Er hört ja gar nicht mehr auf. Einige Highlights habe ich mir aber gemerkt. Er hat gesagt, dass ich ein „alter Sack“ bin und dass ein so junger, guter Boxer wie er unmöglich gegen einen Fast-schon-Rentner verlieren kann. Gleichzeitig erzählt er, dass er trainiert wie ein Verrückter. Wozu macht er das, wenn er gegen den alten Sack eh nicht verlieren kann?

Er singt, er redet dauernd, macht Faxen. Ist er wirklich so durchgeknallt oder zieht er eine große Show ab – und ist danach ganz anders?

Keine Ahnung. Zumindest ist das nicht meine Welt. Vielleicht bin ich wirklich so langweilig, wie mir manchmal vorgeworfen wird, denn ich sage, was ich denke und ziehe keine Show ab, um am Ende zu sagen: War nicht so gemeint.

Lesen Sie hier: So verrückt ist Klitschko-Gegner Fury

Wie sehen Sie ihn als Gegner?

Er kämpft sehr unorthodox. Er ist groß, boxt aber nicht wie ein großer Mann. Ein bisschen erinnert er mich an meinen Bruder Vitali. Der war zwar in seinem Stil noch extremer, aber Tyson hat Elemente davon. Vitali hat angerufen und gefragt, ob ich gute Sparringspartner hätte. Dann meinte er: „Du weißt, wer der beste Sparringspartner wäre? Ich.“ Er kam in der letzten Vorbereitungswoche zum Sparring. Das war der krönende Abschluss dieser Vorbereitung. Ansonsten zu Tyson. Er sucht den Kampf, er wird ihn finden. Er ist jünger, größer und haariger als ich. Und er redet mehr. Viel mehr.

Keineswegs alles, was Fury sagt, ist witzig. Er zelebriert sich als Bibelkämpfer, bezeichnete sie als „Teufelsanbeter“.

Manches ist so dumm, dass es nicht wert ist, mit einer Antwort gewürdigt zu werden.

Fury hetzte in einem Interview gegen Homosexuelle, stellte diese indirekt auf eine Ebene mit Pädophilen.

Seine Aussagen waren widerwärtig und abstoßend. Wer so etwas absondert, bei dem kann das Gehirn nicht besonders ausgeprägt sein. Ich glaube, dass bei ihm einige Schrauben locker sind. Ich plane, sie ihm anzuziehen. Er braucht eine Therapie. Es gibt verschiedene Arten der Therapie. Die, wo man auf die Couch liegt und viel redet, aber effektiver ist die Therapie im Ring. Wenn man seine eigenen Worte fressen muss. Er kriegt von mir nur eine einzige Therapiestunde, aber die wird ausreichen. Jeder Sportler hat ein großes Ego. Das braucht man. Aber nur im Ring. Das Ego darf sich nicht ins normale Leben übertragen. Eine Niederlage im Boxen ist eine Lehrstunde in Demut. Und sie macht dich zu einem besseren Menschen. Das war bei David Haye nicht anders. Er hat mit seinen T-Shirts, auf denen er mein abgeschlagenes Haupt hochhielt, alle Grenzen überschritten. Nach dem Kampf war er anders. David ist ein besserer Mensch geworden. Das Gleiche passierte mit Dereck Chisora.

Der gegen Vitali boxte und verlor. Davor aber Ihren Bruder beim Wiegen ohrfeigte und Sie im Ring anspuckte.

Das war die schwerste Prüfung, die ich je erlebt habe: in diesem Moment nicht zurückzuschlagen. Ich war danach tagelang krank vor Wut im Kopf. Das war so eine unwürdige Beleidigung, aber es war für mich als Mensch wichtig, nicht die Kontrolle zu verlieren. Vitali hat ihm dann die Abreibung verpasst. Seit dem ist Chisora ruhiger geworden.

Lesen Se hier: Henry Maske im AZ-Interview über Klitschko vs. Fury

Haben Ihre Niederlagen gegen Corrie Sanders und Lamon Brewster Sie zu einem besseren Menschen gemacht?

Ich habe verloren? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht habe ich im Ring doch zu viele Schläge abbekommen. Nein, Spaß beiseite: Diese Niederlagen waren die wichtigsten Kämpfe in meiner Karriere. Ohne diese Erfahrungen wäre ich nie zu dem Boxer, dem Mann geworden, der ich jetzt bin. Ich habe dadurch erst den Sport ernstgenommen. Ich denke nicht, dass ich ohne die Niederlagen eine so lange, erfolgreiche Karriere gehabt hätte. Sie haben mir den Hunger gegeben. Ich bin so zu  einem Lehrling des Boxens geworden. Das nennt man im englischen Sweet Science, die süße Wissenschaft. Im Laufe der Jahre wurde ich zu einem Professor dieser süßen Wissenschaft. Ich habe so Vieles erst so richtig verstanden. Etwa, was es heißt, ein Vorbild zu sein.

Wer sind denn Ihre Vorbilder?

Da gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen viele. In der Geschäftswelt ist es Richard Branson, der den Virgin-Konzern schuf und karitativ sehr engagiert ist. In der Musik ist es Quincy Jones. Er ist für mich ein Mann, der von höheren Mächten inspiriert sein muss. Im Boxen natürlich Muhammad Ali, der ein unglaublicher Boxer war, aber der es geschafft hat, im Leben danach noch beeindruckender, bedeutender zu sein. Und Max Schmeling, Deutschlands einziger Schwergewichtsweltmeister. Meine rechte Hand hat die von Schmeling geschüttelt. Mit dieser Rechten werde ich bei Fury die Therapie vollziehen.

Die Therapie mit der Stahlhammer-Faust.

So sieht es aus.

Wie schizophren ist eigentlich Ihr Beruf? Sie sind privat ruhig, zurückhaltend, hilfsbereit, aber im Ring müssen Sie jede Schwäche brutal ausnutzen.

Ich kann mir die Metamorphose selber nicht erklären. Ich muss zugeben, es dauert nach dem Kampf, bis ich aus dem Fight-Modus herauskomme. Das ist nichts, was man wie einen Schalter umlegen kann. Wenn ich meine Kämpfe später analysiere, bin ich selber erstaunt über den Kerl, der da unter meinem Namen in den Ring steigt. Ich muss zugeben, ich hätte Angst vor diesem Kerl. Ich würde nie gegen einen Boxkampf bestreiten (lacht).

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