Wladimir Klitschko gegen Anthony Joshua - die beiden Gentlemans

Wladimir Klitschko und Anthony Joshua, die sich am Samstag vor 90.000 Fans im Wembley-Stadion gegenüberstehen, gelten als Gentlemen im Ring.
von  Matthias Kerber
Am Samstag trifft Wladimir Klitschko auf Anthony Joshua.
Am Samstag trifft Wladimir Klitschko auf Anthony Joshua. © imago/Sven Simon

Wladimir Klitschko und Anthony Joshua, die sich am Samstag vor 90.000 Fans im Wembley-Stadion gegenüberstehen, gelten als Gentlemen im Ring. "Ich sehe sehr viele Parallelen".

London - Als John Sholto Douglas, der neunte Marquess of Queensberry, 1865 seine Regeln des Boxens niederschrieb, galt dieser Sport als die Auseinandersetzung zweier Gentlemen.

Durch Prolo-Auftritte à la Ohrbeißer Mike Tyson oder Pöbler-König Tyson Fury wurde dies konterkariert und pervertiert. Am Samstag (22 Uhr, RTL) treffen vor 90 000 Fans im legendären Wembley-Stadion in London zwei Männer aufeinander, die die Gentleman-Attitüde wieder verkörpern: Auf der einen Ringseite Ex-Champ Wladimir Klitschko, der dem Schwergewicht eine Dekade lang seinen Stahlhammerfaust-Stempel aufgedrückt hat, ehe er Ende 2015 sensationell gegen Fury verlor. In der anderen Ecke Anthony Joshua. Der Weltmeister. Die beiden begegnen sich mit allergrößtem Respekt, sie kennen beide die feine englische Box-Art.

Respekt ein wichtiges Statement

"Ich sehe viele Parallelen zwischen uns", sagt Klitschko der AZ, "er ist ein guter Botschafter für diesen Sport. Boxen ist in seiner Essenz ein brutaler Sport. Wenn sich aber Boxer mit Respekt begegnen, ist das ein wichtiges Statement in einer Welt, die immer verrückter wird." Es ist das Duell zweier Olympiasieger (Klitschko 1996, Joshua 2012), zweier Generationen. Wladimir ist 41, der britische Champion, dessen Familie aus Nigeria eingewandert ist, der noch bei seiner Mutter lebt, ist 27. Klitschko hat 64 seiner 68 Profikämpfe gewonnen, sein Gegner war in all seinen 18 Fights erfolgreich. "Joshua ist wie eine Kopie von Wladimir, eine schwarze Kopie", sagte die britische Box-Ikone Johnny Nelson, Cruisergewichts-Weltmeister von 1999 bis 2006, der AZ, "Anthony hat sich viel von Wladimir abgeschaut. Was es heißt, ein Champion zu sein, aber auch, sich wie einer zu benehmen."

Es war im Jahre 2014, als Joshua dem damaligen Weltmeister Klitschko als Sparringspartner diente. Wladimir bereitete sich auf seine Titelverteidigung gegen Kubrat Pulew vor. "Er ist mir sofort aufgefallen, weil er eine grandiose Einstellung hat. Er hat nicht viel gesagt, aber er hat genau beobachtet, alles wie ein Schwamm in sich aufgesogen", sagte Klitschko, "er kann sich artikulieren, ist wohlerzogen, höflich. AJ ist ein angenehmer Mensch." Tatsächlich lief Joshua damals im Stanglwirt, wo sich Klitschko auf die Kämpfe vorbereitet, mit großen Augen umher. Er stellte sich allen Reportern vor, beantwortete alle Fragen mit "Yes, Sir."

Konflikte mit dem Gesetz

Joshua hat aus seinen Fehlern, aus seiner Vergangenheit gelernt. Denn der Hüne (1,97 Meter) mit den Muskelpaketen hatte auch schon so seine Probleme im Leben. Als Teenager kam der Sohn von Yeta Odusanya, einer Sozialarbeiterin, und Robert mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt. Der Hip-Hop-Fan trieb sich in den Straßen von Watford rum, die Polizei war zwischen 2006 und 2009 Stammgast bei ihm zuhause, er wurde inhaftiert. Bei einem Fußballspiel warf er seinen Gegner mit einem Judo-Griff über die Schulter. Er wurde wegen Körperverletzung angeklagt, später bekam er eine elektronische Fußfessel, durfte nachts das Haus nicht verlassen. "Wenn ich das Boxen nicht gefunden hätte, wäre ich wahrscheinlich im Knast gelandet. Boxen hat mein Leben gerettet", sagte Joshua mit weicher Stimme. 2010 wurde er in seinem Auto von der Polizei angehalten, sie fanden Cannabis. Joshua bekannte sich schuldig, er entging einer Gefängnisstrafe knapp. Stattdessen musste er 100 Stunden Sozialarbeit verrichten.

Es war der letzte Weckruf. Joshua veränderte sich, sein Leben, trennte sich von seinen vielen falschen Freunden. Er trainiert bis zu 13 Stunden am Tag, ist jeden Abend um 21 Uhr im Bett. "AJ ist ein böser Junge gewesen, der nur noch Gutes tun will", sagte sein Manager Eddie Hearn dem "Daily Telegraph".

Startet eine neue Ära?

Ist es der Beginn einer neuen Box-Ära? Oder kann Box-Methusalem Klitschko dem Alter noch mal einen Stahlhammer verpassen? "AJ hat diese unglaublichen Muskeln, die ihm Selbstvertrauen geben, dass er alles zerstören kann. Aber Boxen wird nicht umsonst Sweet Science, die süße Wissenschaft genannt. Als Boxer ist er noch roh und ungeschliffen. Eine Strategie kann jede Muskelkraft schlagen. Man wird sehen", sagt Klitschko: "Wenn er gewinnen sollte, werde ich ihm gratulieren. Wenn ich mich durchsetzen sollte, werde ich ihm dabei helfen, wieder nach oben zu kommen, werde ich sein Mentor." Die feine englische Box-Art.

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