Wladimir Klitschko: Das Ende eine Ära?

Wladimir Klitschko verliert vor 90 000 Zuschauern in Wembley in einem epischen Boxkampf gegen Anthony Joshua. „Heute hat der Bessere gewonnen“, sagt der 41-Jährige.
von  Matthias Kerber
"Ich war mir sicher, dass dies hier mein Abend sein würde", sagt Wladimir Klitschko über den Kampf gegen Anthony Joshua. Er wurde es nicht.
"Ich war mir sicher, dass dies hier mein Abend sein würde", sagt Wladimir Klitschko über den Kampf gegen Anthony Joshua. Er wurde es nicht. © imago

Wladimir Klitschko verliert vor 90 000 Zuschauern in Wembley in einem epischen Boxkampf gegen Anthony Joshua."Heute hat der Bessere gewonnen", sagt der 41-Jährige. Wird es ein Rematch geben?

London - Als sich um 23.43 Uhr an diesem 29. April 2017 Ringrichter David Fields schützend vor Wladimir Klitschko stellte und damit das Box-Drama beendete, standen gleich drei Sieger fest.

Natürlich der britische Box-Adonis Anthony Joshua (27), der sich mit dem 19. Knockout in seinem 19. Profikampf zum neuen König der Boxer erhoben hatte. Dann der Boxsport an sich, der vor 90 000 Fans im Londoner Wembley-Stadion ein Drama, das William Shakespeare zur Ehre gereicht hätte, abgeliefert hat. Es war in Anlehnung an den legendären"Thrilla in Manila" im Jahre 1975 zwischen den Box-Granden Muhammad Ali und Joe Frazier der"Thriller von Wembley".

Und Klitschko selbst. Der verließ zwar nominell durch die Abbruchniederlage in der 11. Runde als Verlierer den Ring, doch hat er dabei mehr Respekt und Anerkennung gewonnen als wohl in seinen 64 Siegen zuvor. Joshua, der 2014 noch Sparringspartner für Klitschko gewesen war, versuchte nach seinem Triumph die Hand seines Kontrahenten, seines Vorbildes, in Siegerpose gen Himmel zu recken. Doch Klitschko wollte nicht so recht."Ich hatte mir so viel vorgenommen", sagte Klitschko,"aber heute hat der Bessere gewonnen."

Stehende Ovationen

Er, der in seiner Karriere so oft verspottet worden war, hat allen bewiesen, dass er ein Champion mit Kinn, Herz, Eiern aber auch Hirn ist (siehe Kommentar rechts). Die Fans im Stadion, die Klitschko beim Einmarsch einen ungemütlichen Empfang bereitet hatten, feierten ihn nun mit stehenden Ovationen.

„Ich liebe euch auch, London", sagte Klitschko, der fast zehn Jahre, bis zur Niederlage Ende 2015 gegen Tyson Fury, das Schwergewicht mit seinen Stahlhammer-Fäusten regiert hatte."Ich habe den Kampf genossen, ihr hoffentlich auch. Respekt und Gratulation an Joshua. Wir haben einen großen Kampf geboten. Ich hatte gehofft, dass er ein anderes Ende findet, aber es sollte nicht sein", sagte der 41-jährige.

"Ich war mir sicher, dass dies mein Abend sein würde"

Alles, was gefehlt hatte, war ein einziger weiterer Treffer. Dann hätte Klitschko, den viele nach seiner schwachen Darbietung gegen Fury schon abgeschrieben hatten, Joshua ausgeknockt. Nachdem der Ukrainer in der fünften Runde zu Boden gegangen war, hatte er sich bravourös zurückgekämpft und den Briten im sechsten Durchgang unsanft auf die Bretter, die die Box-Welt bedeuten, befördert."Ich dachte, es wäre vorbei. Die wenigsten hätten sich von dem Schlag erholt", sagte Klitschko,"ich war mir sicher, dass dies hier mein Abend sein würde."

Doch Joshua stand auf, taumelte durch den Ring. Aber er fiel nicht. In der 11. Runde musste Klitschko brutalste Schläge nehmen, er ging zwei Mal zu Boden – dann brach Fields ab. Klitschko, die Legende am Ende? Leg-Ende?"Lassen Sie mir ein paar Tage oder Wochen Zeit, um das alles zu analysieren", sagte Klitschko, als er auf ein mögliches Karriereende angesprochen wurde.

Gibts die Revanche?

Fakt ist: Im Kampfvertrag ist eine Rematch-Klausel enthalten. Ob Klitschko die aber ziehen wird, ist völlig offen. Klar ist auch: Gegen einen anderen Gegner will Klitschko nicht mehr antreten."Wenn ich noch einmal boxe, dann nur gegen Joshua", sagte Klitschko. Und Joshua meinte:"Ich habe nichts dagegen, noch mal gegen ihn anzutreten, wenn er das möchte." Klitschkos Freund und Vorbild, der Terminator Arnold Schwarzenegger, der am Ring gesessen war, twitterte:"Einer der besten Kämpfe, die ich je gesehen habe. Hoffe auf ein Rematch."

Doch soll sich Klitschko das noch einmal antun? Joshuas Promoter Eddie Hearn rechnet mit einem Rückkampf, der beiden Boxern sicher wieder einen zweistelligen Millionenbetrag in die eh schon gut gefüllten Taschen spülen würde."Ich denke, Klitschko wird es nochmal versuchen wollen", sagte Hearn, der Cardiff in Wales als Austragungsort ins Spiel brachte.

Platzwunde muss verheilen

Ein Kampf in Deutschland sei hingegen ausgeschlossen. Wenn es zum Rematch kommen sollte, dann wohl Ende des Jahres. Klitschkos tiefe Platzwunde am linken Auge, die in der Kabine genäht wurde, muss ausheilen. Soll der Löwe, der ein Jahrzehnt lang das Schwergewichtsrudel mit Stolz und harter Hand geführt hat, aber jetzt von einem jüngeren, stärkeren, schnelleren Löwen besiegt wurde, diesen wirklich noch einmal herausfordern? Und damit alles auf eine Karte setzen?

„Alles spricht für Joshua, nur die Erfahrung, die Weisheit, die man im Ring gewinnt, sind auf Klitschkos Seite", sagte die britische Box-Ikone Johnny Nelson, Cruisergewichts-Champion von 1999 bis 2006, der AZ,"aber reicht das aus?" Der einstige Schwergewichts-König Lennox Lewis erklärte:"Beim Boxen zeigt sich irgendwann das Alter. Wladimirs Beine waren gut, aber das Kinn war nicht okay. Mit einer Niederlage will keiner abtreten. Wie viel Herz hat Klitschko in diesem Kampf gezeigt! Das muss man respektieren. Kopf hoch, Bruder!"

Abtreten als Champion

Mit erhobenem Haupt könnte Klitschko auch jetzt den Ring verlassen. Nach 29 WM-Kämpfen (Schwergewichts-Rekord!), 64 Siegen in 69 Profifights. Er würde abtreten als Mann mit Kinn, Herz, Eiern – und Hirn. Er würde abtreten als großer Champion.

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