„Wir werden dich nie vergessen“

Knapp 200 Gäste kamen zum Augsburger Westfriedhof, um von Handballstar Erhard Wunderlich Abschied zu nehmen.  
von  Thomas Becker
Ein letzter Gruß: Auch die alten Mannschaftskollegen des siegreichen WM-Teams von 1978 legten einen Kranz nieder.
Ein letzter Gruß: Auch die alten Mannschaftskollegen des siegreichen WM-Teams von 1978 legten einen Kranz nieder. © dapd

Knapp 200 Gäste kamen zum Augsburger Westfriedhof, um von Handballstar Erhard Wunderlich Abschied zu nehmen.

Diese Geige! Drückt schwer auf die Tränendrüse, dass auch so ein knallharter Kerl wie Kurt Klühspies angestrengt an die Decke schauen muss, damit ihm nicht die Tränen aus den Augen kullern. Er ist nicht der einzige, der zu kämpfen hat. Gestandene Recken, die die härtesten Gegenspieler bekämpft haben, müssen in der Kapelle des Augsburger Westfriedhofs in den Augenwinkeln rumwischen.

Trauerfeier für Erhard Wunderlich. Vergangenen Donnerstag war „Deutschlands Handballer des Jahrhunderts“ im Alter von 55 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben. Knapp 200 Menschen kamen nun, um Abschied zu nehmen. Wunderlichs alte Handballkumpel aus Augsburger Zeiten haben sich links vom Eingang gesammelt, die überregionale Prominenz steht in der Mitte: Eishockey-Idol Erich Kühnhackl, Speerwurf-Olympiasieger Klaus Wolfermann, Rodel-Weltmeisterin Susi Erdmann und natürlich die Helden von ’78: Manfred Hofmann, Kurt Klühspies und Claus Hormel, die mit Wunderlich den WM-Titel geholt hatten. Heiner Brand fehlt, die Zwillingsbrüder Uli und Michael Roth sind dagegen da. Mit Wunderlich haben die beiden, die 2009 fast zeitgleich an Prostatakrebs erkrankt waren, 1984 bei Olympia Silber gewonnen und sich im Trikot des MTSV Schwabing mit dem damaligen Milbertshofener heiße Derbys geliefert. Auch „Hexer“ Andreas Thiel ist da und sieht mit dem Rucksack auf dem Rücken aus, als käme er gerade vom Torwarttraining.

Vlado Stenzel, der „Magier“, trägt schwarze Sportschuhe zum Anzug. Der Coach der ’78er-Weltmeister spricht nach Pastor Waldmann, der Wunderlich vor mehr als 40 Jahren schon konfirmiert und ihn 1984 auch zum ersten Mal getraut hatte. Mit vorsichtigen Schritten steigt der 78-jährige Stenzel zum Rednerpult: „Dein Wille war riesengroß“, sagt er über seinen ehemaligen Lieblingsschüler, „du hattest das perfekte Spiel und hast immer Verantwortung übernommen, hast der Welt die Perfektion unserer Sportart gezeigt und dem Handball große Impulse gegeben. Du kannst stolz darauf sein, wie viele Menschen heute gekommen sind. Das zeigt, wie wertvoll du als Spieler und Mensch warst. Du bist einer der besten Handballer der Welt geworden, wenn nicht gar der Beste. Auf dich war immer Verlass, wenn es darauf ankam. Du kannst stolz sein, was du als Spieler und Mensch erreicht hast. Ich habe dich sehr gemocht. Wir alle werden dich nie vergessen.“

Die Kapelle ist mehr als voll – nur neben Milbertshofens Ex-Geschäftsführer Ulrich Backeshoff bleibt ein Sitzplatz frei. Er hat einen der etwa ein Dutzend Kränze gestiftet: „Danke für deine Zeit bei Mil“ steht darauf. Der VfL Gummersbach schickt einen letzten Gruß, wie auch „Dein WM-Team 1978 - in bleibender Erinnerung“. Reden können die Helden kaum. Klühspies, der vor Jahren auch eine Krebserkrankung überwand, wusste ebenso wenig von Wunderlichs Krankheit wie Golf-Kumpel Kühnhackl: „Beim Turnier im Sommer kam er wie immer einen Tag früher, damit wir noch in Ruhe in Landshut den Biergarten gehen konnten“, erzählt Kühnhackl, „da saß er dann, streckte die Beine aus und strahlte.“

In Reihe eins fließen dagegen Tränen: Mutter Hildegard (78), Tante Ingeborg, Frau Pia und die vier Töchter aus zwei Ehen. Vater Heinz, auch ein Handballer, ist schon vor vielen Jahren gestorben. Als Pastor Waldmann die letzten Worte gesprochen hat, ist wieder die Geige dran, diesmal mit „My Way“. Keiner muss sich seiner Tränen schämen, auch nicht Vlado Stenzel. Er wusste, dass es so kommen würde und wischt sich nun mit einem großen weißen Taschentuch die Tränen weg. Tränen für Sepp.

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