"Wir sind nicht geklont!"

Am Donnerstag startet der Doku „Klitschko” in den Kinos. Hier erzählen die Box-Weltmeister Wladimir und Vitali Klitschko über die Erfahrung beim Film, ihre Frauen – und ihre Familienbande
Mariam Schaghagi |
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Sie sind echte Champions und internationale Aushängeschilder für den Boxsport. Nun kommt eine grandios unterhaltsame Doku in die Kinos, die Wladimir (35) und Vitali Klitschko (39) mal aus ganz ungewohnter Perspektive zeigen: als Söhne, als Schachspieler, als Grübler, als Ehemann, als Menschen mit Schwächen.

AZ: Wladimir, Vitali, viele Menschen können Sie nicht auseinander halten. Können Sie das nachvollziehen, dass man Sie verwechselt?

VITALI: Manchmal schaue ich mir ein Foto an und weiß selbst nicht, bin ich das oder mein Bruder? Sogar unsere Mutter ist da manchmal etwas verwirrt! Wenn wir zuhause anrufen, ist ihre erste Frage immer: „Welcher von euch beiden ist es denn?”

WLADIMIR: Ich kam mal zu Vitali zu Besuch, als seine Kinder noch kleiner waren, da haben die mich „Papa” genannt. Ich war völlig baff: „Ich bin doch euer Onkel, der Wladimir! Nicht der Papa!” (lacht)

Wird man Sie nach der Doku „Klitschko” besser auseinander halten können?

VITALI: Ja, da wird der Unterschied zwischen den zwei Brüdern sehr deutlich. Auf den ersten Blick ähneln wir uns zwar sehr, aber trotzdem gibt es zwischen uns große Unterschiede, als Sportler und Charaktere. Deswegen haben wir versucht, sehr viel aus unserem Leben zu zeigen. Zu zeigen, wie der Traum von zwei Jungs wahr geworden ist. Dabei gab es viele Hindernisse, und die Wenigsten haben an uns geglaubt.

Hatte der Film auch für Sie selbst noch Überraschungen parat?

WLADIMIR: Ja, es ist unglaublich, was Regisseur Sebastian Dehnhardt an altem Video- und Archivmaterial gefunden hat! Besonders witzig fand ich die Aufnahmen von Vitali, als er mit 17 mit dem sowjetischen Team zum ersten Mal in die USA reiste...

...wo er seine erste Cola trank, deren Geschmack er nie vergaß.

WLADIMIR: Genau! Das hatte ich noch nie gesehen.

VITALI: Eine ganz große Überraschung ist, dass unsere Eltern erstmals ein Interview geben. Meine Mutter hat das immer abgelehnt, sie hat gesagt: „Ich brauche kein Rampenlicht.” Meine Eltern erzählen, wie wir zum Sport gekommen sind, wie sie mit uns durch die Sowjetunion zogen, und wir schließlich nach Hamburg kamen. Als ich mir den Film angeschaut habe, war es sehr schwierig, objektiv zu bleiben.

Sie treten nach außen stets als Einheit auf. Verraten Sie uns doch mal: Worüber streiten Sie am häufigsten?

VITALI: Wir streiten ständig.

WLADIMIR: Wir streiten nicht!

VITALI: Streiten ist wohl das falsche Wort.

WLADIMIR: Das völlig falsche Wort. Wir sind nicht geklont. Vitali hat fünf Jahre mehr Lebenserfahrung. Ich habe weniger, aber dafür andere. Jeder hat seine Meinung, man tauscht sich aus, diskutiert und kommt zu Kompromissen.

Was war die schlimmste Situation für einen Bruder? Den anderen im Krankenwagen zu sehen, als es um Leben oder Tod ging, wie nach dem Kampf von Wladimir gegen Lamon Brewster?

VITALI: Während des Kampfes verstand man nicht, was genau los war. Der Bruder ist fast bewusstlos, man hat keine Gewissheit, was los ist. Das ist eine gefährliche Sportart, wir sind wie Gladiatoren. Dabei geht man großes Risiko ein. Das Schlimmste für mich war, damals in Las Vegas auf das Ergebnis der Ärzte zu warten, ob eine Gehirnblutung vorliegt.
Lamon Brewster sagt zu Recht: „Diese Jungs hätten locker Anwälte oder Ärzte werden können!” Warum sind Sie Boxer geworden?

VITALI: Warum nicht? Es ist passiert, ob es Zufall war oder Schicksal. Ich könnte auch sagen: Uns lag die Spannung, und uns reizte es, der Beste zu sein. Das liegt in unserem Charakter. Im Sport sieht man ein Ergebnis ganz schnell, einen Wettkampf zwischen Anwälten oder Ärzten gibt’s so nicht.

Sie beide dürften auch die einzigen promovierten Profiboxer sein. Haben Sie sich nach dem Guttenberg-Fall gefragt, ob Sie noch mal einige Quellen überprüfen müssen?

WLADIMIR: Nach dem Fall Guttenberg hat wohl jeder, der einen Doktortitel hat, gedacht, was wohl die anderen über einen denken. Bei mir ist das Thema „Pädagogische Kontrolle bei Nachwuchssportlern”, bei Vitali ist es die Talentförderung. Was wir gemacht haben, basiert auf eigenen Erfahrungen im Sport, wissenschaftlich beschrieben und bewiesen. Da kann man nicht schummeln.

VITALI: Ich habe versucht, meine eigene Erfahrung auf eine wissenschaftliche Grundlage zu bringen. Ich habe nach der Uni mit der Doktorarbeit angefangen. Wladimir war so beeindruckt, dass er kurz darauf auch ein Thema fand. Da war es wieder, das Wettkampfgefühl! Wir sind beide bereit, unsere Doktorarbeiten jederzeit zu präsentieren, so wie wir es ja auch schon an der Bundeswehruniversität in Hamburg und im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland getan haben.

Ihre Eltern sind eine wichtige Konstante in Ihrem Leben. Wie ist es mit Frauen – haben die es schwer, in Ihrem Leben Platz zu finden?

VITALI: Meine Frau ist bei jedem Kampf dabei! Normalerweise ist es eine Belastung für mich, wenn Natalia dabei ist. Aber wenn ich ihr keine Karte besorge, kauft sie sich eine, also habe ich keine Wahl.

WLADIMIR: Frauen leben von Emotionen, Männer von klarer Berechnung. Deswegen stört das manchmal, wenn man zusätzlich Frauen um sich hat. Das klingt zwar machomäßig, aber… Die damit verbundenen Emotionen wären für mich eine zu große psychische Belastung.

In dieser Doku sieht man Sie von der ganz menschlichen Seite, und Sie lassen größtmögliche Verletzlichkeit zu. Im Ring würde man sagen: Sie geben Ihre Deckung auf. Wie kommt es, dass Sie zu so viel Offenheit bereit waren?

WLADIMIR: Ich glaube, das kommt mit dem Alter. Man wird offener, sensibler und hat keine Angst, das zu sagen und zu dem zu stehen, was man denkt. Wie das dann von außen empfangen wird, ist eine ganz andere Sache. Wichtig ist, dass man sich selbst wohl fühlt mit seiner Entscheidung und Aussage.

VITALI: Wir sind ja alle Fans des Kinos, ich kenne keinen, der nicht gern Filme sieht. Kino ist die zweite, ideelle Welt, voller Emotionen und Träume. Der Film vereint Elemente von Thriller, Action und Drama. Man sieht, das Leben ist eine Achterbahn. Erfolg hat man nur, wenn man die Kraft findet, weiterzukämpfen, selbst wenn man am Boden liegt. Der französische Regisseur Claude Lelouch hat mal gesagt: „Boxen ist eine der härtesten Sportarten, aber es ähnelt dem Leben am meisten.”

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