Wimbledon staunt über Lisicki und Haas

LONDON - Heimlich, still und leise haben sich zwei Deutsche in Wimbledon zu Mitfavoriten aufgeschwungen. Tommy Haas erreichte zum zweiten Mal das Achtelfinale und die erst 19-jährige Sabine Lisicki wird in London schon mit Steffi Graf verglichen.
Lisicki wie ein Blitz aus heiterem Himmel und Haas mit dem Match der Woche: In Wimbledon sorgen nach langer Flaute wieder zwei deutsche Tennisprofis für Aufsehen. Thomas Haas ist bei den All England Championships ein alter Bekannter, obwohl er am Montag erst zum zweiten Mal im Achtelfinale steht. Sabine Lisicki dagegen hat mit 19 Jahren auf dem „Heiligen Rasen“ ihre ersten drei Matches gewonnen und wird in London schon mit Steffi Graf verglichen. Neun Jahre ist es her, dass in Anke Huber und Alexander Popp zuletzt ein deutsches Tennis-Paar in der Runde der besten 16 stand – und für Lisicki und Haas muss das Achtelfinale noch nicht Endstation sein.
Die Koffer packen musste indes Philipp Petzschner, der dem Australier Lleyton Hewitt, Champion von 2002, in der dritten Runde mit 5:7, 6:7 (3:7), 3:6 unterlag. „Lisicki nimmt Kusnezowa den Skalp“, ließ sich „The Telegraph“ am Sonntag nach dem 6:2, 7:5- Drittrundensieg der kessen Berlinerin gegen die French-Open- Gewinnerin zu einer martialischen Titelzeile hinreißen.
Unbekümmert und ohne jede Scheu vor großen Namen hat sich Lisicki in der ersten Turnier-Woche in die Herzen der Tennis-Fans gespielt. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend wie für die Gegnerinnen gefährlich. „Keine Geschenke zum 24. Geburtstag“ („Mail on Sunday“) gab es für die an Nummer fünf gesetzte Russin Swetlana Kusnezowa. „Sabine hat super gespielt und verdient gewonnen. Ich glaube, wir haben alles richtig gemacht“, sagte Trainer-Vater Richard Lisicki.
Als sie den fünften Matchball endlich verwandelt hatte, kullerten der gar nicht so abgebrühten Weltranglisten-41. die Tränen übers Gesicht. „Ich bin zum ersten Mal bei einem Grand Slam in der zweiten Woche noch dabei. Damit hätte ich hier am wenigsten gerechnet“, meinte Lisicki und erwähnte wegen ihrer Rasen-Allergie etwas verschnupft, dass sie vor Wimbledon kein Match auf Rasen gewonnen habe. Und nun? „Jetzt will ich auch gegen Caroline Wozniacki gewinnen.“ Wie sie hat die erste Dänin in den Top Ten ihre Wurzeln in Polen und deshalb sind die beiden hübschen Blondinen schon seit Jahren befreundet.
Auf der Damentour sind sie sich bislang zweimal begegnet: 2008 in der dritten Runde der Australian Open gewann Wozniacki, im April dieses Jahres in Charleston holte Lisicki gegen die 18-Jährige ihren ersten Titel. Auch jetzt habe sie die besseren Chancen gegen die Eastbourne-Siegerin, glaubt Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner. „Sie kann auch dieses Match gewinnen.“ Danach aber würde es haarig, wenn vermutlich die Weltranglisten-Erste Dinara Safina aus Russland wartet.
Über die nächste Runde hinaus will auch Haas nicht denken, der am Montag vor Lisicki um 13.00 Uhr MESZ auf dem Nebenplatz Nummer 4 spielt. Zumal er mit seinem Gegner, dem Russen Igor Andrejew, wegen der Pleite im Davis-Cup-Halbfinale vor zwei Jahren noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Der nach zahllosen Rückschlägen ruhiger gewordene Halle-Sieger, der sich nach seinem ersten Rasen-Titel erstmals richtig wohl fühlt im „Wohnzimmer“ von Boris Becker, erlebte die intensivste Woche von allen. Gegen den Kroaten Marin Cilic musste er schon das zweite Mal in die Warteschleife, weil außer auf dem Center Court mit dem neuen Dach bei einsetzender Dunkelheit nicht mehr gespielt werden kann.
„Dass solche engen Partien nicht zu Ende gespielt werden können, weil das Licht ausgeht, sollte geändert werden“, schlug der 31- Jährige nach dem nervenaufreibenden 7:5, 7:5, 1:6, 6:7 (3:7), 10:8 vor. 26 Minuten und 34 Punkte mussten beim Nachsitzen am Samstag gespielt werden, ehe Haas die bei 6:6 im fünften Satz unterbrochene Partie entschieden hatte. Mit Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen war sich Haas einig: „Vor zehn Jahren hätte ich solch ein Spiel sicher nicht gewonnen.“ Für die „Sunday Times“ war es das „Match der Woche“.
Vor Wochen noch belächelt, ist Haas nun zu einer Bedrohung für die Favoriten geworden. Den Schotten Andy Murray würde er frühestens im Endspiel treffen, zu dem dann vielleicht sogar englische Queen käme. Vorher könnte es zur Neuauflage des Halle-Finals gegen den Serben Novak Djokovic kommen, und im Halbfinale würde wohl der fünfmalige Wimbledon-Sieger Roger Federer warten. Angesetzt war dieses Match schon vor zwei Jahren. Doch vor dem Achtelfinale mit dem Schweizer musste Haas damals passen, weil ein Bauchmuskel gerissen