Wieder Hürden-Drama um Chinesen Liu: Sturz am ersten Hindernis

Der chinesische Hürden-Volksheld Liu Xiang ist einer der großen Pechvögel in der olympischen Historie. Wie 2008 in Peking kam für ihn auch in London das Ende sehr schnell. Diesmal stürzte der ehemalige Weltrekordler an der ersten Hürde.
London – Nach 13,72 Metern waren für Chinas Hürden-Superstar Liu Xiang die Olympischen Spiele in London zu Ende. Es war ein Bild des Jammers: Kaum aus dem Startblock geschnellt, prallte der frühere Weltrekordler am Dienstag im sechsten Vorlauf frontal gegen die erste Hürde, stürzte und kauerte verzweifelt am Boden. Im Rollstuhl verließ er schließlich den Ort des erneuten Dramas. Damit ist der 29-Jährige aus Shanghai zu einem der großen Pechvögel in der olympischen Geschichte geworden.
„Er ist gestürzt, aber er ist wieder aufgestanden. Das ist der wahre Sportsgeist bei Olympischen Spielen“, sagte der chinesische Leichtathletik-Cheftrainer Feng Shu Yong. Eine genaue Diagnose der Verletzung von Liu gebe es noch nicht, aber es handele sich wohl wieder um seine chronisch lädierte Achillessehne. „Für ihn ist die Saison möglicherweise zu Ende“, so Feng. Liu habe große Wettkämpfe vor Olympia gemacht. „Diesen Druck hält nicht jeder aus. Er ist und bleibt der Beste“, meinte der Chefcoach.
„Es war fürchterlich und ist tragisch, dass es Liu passiert ist, gerade ihm, einem der besten Hürdensprinter, die es jemals gab“, kommentierte der US-Läufer Aries Merritt, der als Vorlauf-Bester 13,07 Sekunden schnell flitzte, den kapitalen Fehler. „Ich denke nicht, dass irgendetwas nicht richtig war vor dem Rennen. Er sah okay aus.“ Nicht nur der Weltjahresbeste (12,93 Sekunden) flog fehlerlos über die Hürden, auch die weiteren Gold-Kandidaten kamen weiter.
Peking-Olympiasieger Dayron Robles (Kuba) meisterte die Pflicht ebenso wie Weltmeister Jason Richardson (USA) in 13,33 Sekunden. Nach seinem Sturz im Olympiastadion von London vor 80 000 Zuschauern humpelte Liu auf einem Bein neben der Laufbahn ins Ziel und wurde gestützt von Vorlauf-Konkurrenten ins Stadioninnere geführt. Von dort wurde er mit einem Rollstuhl zur Behandlung gefahren – ohne eine Wort zu sagen. Liu erlebte schon bei den olympischen Heimspielen 2008 in Peking eine der bittersten Stunden seiner Karriere. Nach einem nicht von ihm verursachten Fehlstart im Vorlauf musste er wegen einer Achillessehnenverletzung zum Entsetzen einer ganzen Nation aufgeben.
Der Lauf-Millionär Liu genießt im „Reich der Mitte“ eine ähnliche Popularität wie einst der Basketball-Spieler Yao Ming. Schon vor seinem Auftritt in London hatte sein Trainer Sun Haiping angedeutet, dass Liu wieder Probleme mit seinem Fuß habe. „Wir sind trotz der Verletzung zuversichtlich und nur ein wenig besorgt“, hatte der Coach gesagt. Liu ließ sich nach den Peking-Spielen in den USA behandeln und feierte 2010 bei den Asien-Spielen mit dem Titelgewinn im Hürdensprint ein Comeback. Bei der WM 2011 in Daegu/Südkorea gewann er Silber. Und in der aktuellen Weltjahresbestenliste liegt er mit einer Zeit von 12,97 Sekunden an zweiter Stelle.
Chinas Lauf-Star hatte sich zuletzt in Leverkusen auf die London-Spiele vorbreitet, weil die Wetterbedingungen in den zwei Wochen vor dem Olympia-Beginn in England nicht optimal waren. Ausgeschieden ist im Vorlauf das deutsche Hürden-Trio. Der Leipziger Alexander John belegte als Bester im Gesamtklassement in 13,67 Sekunden den 28. Platz. Matthias Bühler (Offenburg) erreichte mit 13,68 Sekunden den 30. Rang. Erik Balnuweit (Leipzig) wurde in 13,77 Sekunden nur 36. von 45 Startern.