Wieder dahoam
GARMISCH-PARTENKRICHEN - Wie die Rieschs und die Neureuther-Mittermaiers mit dem Erfolg ihrer Kinder umgehen.
In Partenkirchen sind die Rieschs so etwas wie die Blendingers. Hans und Wally Blendinger, einst Münchens berühmteste Fenstergucker, weil sie aus ihrer Obergiesinger Wohnung an der Grünwalder Straße über die Tramgleise der 25er und den Zaun der Ostkurve direkt rein schauen konnten ins Sechzger Stadion. Und auch die Rieschs könnten sich den Weg sparen.
Weil sie von ihrem Büro in der Wildenauer Straße den besten Blick haben auf den Hang am Gudiberg, 200 Meter weiter, wie Monika und Sigi Riesch am Donnerstag, der AZ zeigten. „Da, schauns nüber“, meinte Frau Riesch, als sich oben viele Skiläuferinnen versammelt hatten, „jetzt hamms Hangbefahrung.“
Und am Freitag haben sie das Rennen, und dann gehen die Eltern rüber. Zum Slalom ihrer Töchter, der Maria und der Susi. Die sind wieder dahoam.
Das ist auch Felix Neureuther, und sie alle könnten, wenn sie Zeit und Muße hätten, vom Start auf ihre Elternhäuser hinunterschauen. Beim Weltcup in Garmisch-Partenkirchen.
Nur 300 Meter Luftlinie voneinander entfernt wuchsen sie auf, und gerade zwischen der Maria und dem Felix lief der Weg oft gemeinsam. Beide Jahrgang 84, die gleiche Grundschule, das gleiche Gymnasium, der gleiche Skiclub, der SC Partenkirchen, gemeinsame Vereinserfolge bei Jugendrennen. Heute sind beide Deutschlands beste Skifahrer und haben jeweils ein Geschwister, das sich der alpinen Karriere zeitig verweigert hat.
Die Maria den Matthias, den Zwillingsbruder der 21-jährigen Susi, der mit 13 den Spaß verlor, sich noch ein Jahr als Skispringer versuchte und heute in der Firma der Eltern arbeitet – einem Vertrieb für Folien und Verpackungen für die Großindustrie.
Und der Felix die Ameli, die heute 27 ist und Modedesignerin und schon mit 15 nach erfolglosen Rennen beschloss, dass sie nur noch zum Hobby den Hang hinunterwedelt. Vielleicht auch weil die Bürde des Namens zu groß war. Bei den Eltern.
Mama Rosi Mittermaier, Doppel-Olympiasiegerin 1976, die Gold-Rosi. Papa Christian Neureuther, Sieger von sechs Weltcuprennen, darunter die Klassiker Wengen, Kitzbühel, Garmisch. Felix, Amelis jüngerer Bruder, stellte sich dem Druck, doch kaum war der Sohn im Weltcup unterwegs, zogen sich Vater und Mutter ganz bewusst zurück. Sie wollten nicht, dass der Bub nur der Sohn der berühmten Eltern ist, deswegen reisen sie auch kaum noch zu seinen Rennen.
Bei den Rieschs war das anders, sportlich war für Sigi Riesch der größte Erfolg der Aufstieg in die Tischtennis-Bayernliga mit dem TSV Murnau. „Das Skifahren“, sagt der Vater, „haben die Maria und die Susi immer von sich aus wollen.“ Genau wie auch im Hause Neureuther-Mittermaier haben die Eltern nie Druck gemacht für eine große Karriere. Kritik gab es schon, aber die Rieschs sagen ihren Kindern ja auch heute noch, wenn ihnen was nicht passt. Wie das mit Marias einst blonden Haaren, denn die dunkle Färbung, sagt Mama Monika, gefalle ihr überhaupt nicht. „Fürchterlich“, sagt sie, „da schaut sie ja aus, als hätte sie eine Perücke auf.“ Aber jetzt in der Saison ändern geht nicht mehr, wie Vater Sigi meint, da habe der Sponsor vom Stirnband ein Veto eingelegt. Sonst würden die bereits gemachten Fotoaufnahmen nicht mehr aktuell wirken.
Fotos von den Eltern Riesch gibt es auch in den Zielräumen der Weltcup-Strecken. „Die Maria will, dass wir dabei sind“, sagt der Vater, so wie früher, und manchmal ist es auch so wie einst, als Sigi Riesch seine weinende Tochter von einem Lehrgangskurs heimfuhr, weil sie dort als Elfjährige unter lauter 14-jährigen Mädchen nur Außenseiterin war. Auch vor zwei Wochen in Zauchensee vergoss sie Tränen, als sie in der Kombination rausflog. Auch da trösteten sie die Eltern.
Vielleicht kann Maria Riesch ja wieder feiern, beim Heimrennen, ab Montag bei der WM in Val d’Isere und Mitte März, wenn sie dann mit der großen Kugel in die Heimat zurückkehrt. Nach dem Gewinn des Gesamtweltcups. In jedem Fall werden sich Monika und Sigi Riesch freuen, dass sie ihre Tochter im Frühling und Sommer dann wieder häufiger sehen. Dann darf sie endlich auch wieder blond sein.
Florian Kinast