Wie wird mein Kind ein Olympia-Star?

Olympia für alle! Ob und wie ein Kind als Skifahrer talentiert ist, lässt sich schon recht früh erkennen. Aber der Weg an die Spitze ist lang und beschwerlich. Ein Experte erklärt ihn
von  Sissi Pärsch
Markus Wasmeier bei seiner Gold-Fahrt bei Olympia 1994 in Lillehammer.
Markus Wasmeier bei seiner Gold-Fahrt bei Olympia 1994 in Lillehammer. © Rauchensteiner/Augenklick

AZ: Herr Bösl, mein Kind fährt gerne und gut Ski. Wie kann ich es am besten fördern?

 PETER BÖSL: Indem Sie es in einem Skiverein anmelden. Das ist noch immer der erste Schritt in Sachen Nachwuchsförderung. Die Kinder sind dann meist so um die sechs Jahre alt. Es geht erst einmal gar nicht um Wettkämpfe, sondern um das gemeinsame Skifahren mit Gleichaltrigen, das Teamgefühl und den Spaß an der Sache. Erfahrungsgemäß ist die Vereinszugehörigkeit ein ganz wichtiger Motivationsfaktor.

Aber es wird trainiert – die Kinder besuchen eben nicht mehr nur einen Skikurs?

Genau. Die Kleinen werden Teil einer Gemeinschaft und sind da stolz drauf. Sie bekommen von den Älteren schon den Renn-Rhythmus mit und es kümmern sich ausgebildete Trainer um sie. Später ist es auch so, dass man nur als Vereinsmitglied an einem Rennen teilnehmen kann.

Und wenn die Eltern keinen Bezug zum Skisport haben?

Dann bleibt der Weg zum Skisport für das Kind nicht automatisch versperrt. Sehr erfolgreich ist beispielsweise unser DSV-Projekt „Auf die Plätze, fertig, Ski“, eine Kooperation zwischen Vereinen und Kindergärten beziehungsweise Grundschulen. Es geht darum, Kinder für den Schneesport zu begeistern. Es kristallisiert sich dabei oft eine Begabung oder ein besonderes Interesse an einer Sportart heraus.

In welchem Alter nimmt man wahr, dass ein Kind tatsächlich Talent hat?

Schon relativ früh. Es geht primär um die generellen koordinativen Fähigkeiten. Man sieht sofort, wie das Kind sich bewegt. Bei den regionalen Skirennserien sind die Kinder dann um die zehn Jahre alt. Hier versucht man möglichst viele Komponenten zu integrieren. Neben Riesenslalom- und Slalomelementen gibt es Sprünge und Technikbewertungen.

Warum nicht einfach ein traditioneller Riesenslalom?

Zum einen haben die Kids Spaß an der Abwechslung. Aber es geht uns darum, sie möglichst vielseitig auszubilden und auch die unterschiedlichen Fähigkeiten zu berücksichtigen. Koordination, Kondition, Bewegungsgefühl und Technik – das sind alles Elemente, die man so am besten fördern und entdecken kann.

Welche Rolle spielen die Eltern bei der Förderung des Kindes?

Sie sind eine ganz zentrale Stütze – ob moralisch oder sozial. Auch der Zeitaufwand ist recht hoch. Es gibt Eltern, die ihre Kinder lange Strecken ins Training fahren oder bei den Rennen dabei sind. Und finanziell betrachtet kommen auf sie hohe Ausgaben für Material, Trainingslager und Fahrten zu. Die Vereine und Verbände unterstützen aber schon recht früh mit Materialpools und Zuschüssen für Lehrgänge und Wettkämpfe.

Dabei kann natürlich eine gewisse Erwartungshaltung entstehen. Erleben Sie es häufiger, dass Eltern zu viel Druck ausüben?

Das hält sich bei uns grundsätzlich in Grenzen. Die klassischen Erfahrungen mit „Tennis-Eltern“ habe ich noch nicht gemacht. In unseren Disziplinen geht es wohl moderater zu. Aber es gibt Eltern, die ihren Ehrgeiz auf die Kinder projizieren. Und das ist kontraproduktiv. Es lähmt! Hat der Nachwuchs mal einen Durchhänger, sollte man gut zureden. Wenn aber der Jugendliche merkt, dass Leistungssport nicht das Richtige ist, dann müssen die Eltern das auch einsehen.

Wie lassen sich für einen Nachwuchsfahrer Schule und Sport vereinbaren?

Es gibt das Projekt „Partnerzentren des Wintersports“, bei dem das Kultusministerium und der Bayerische Skiverband mit 40 Schulen in Bayern zusammenarbeitet. Dabei geht es um eine heimatnahe Förderung der 5. bis 8. Klassen. Man will die Kinder nicht zu früh an Internate verpflanzen. In diesen Schulen geht man anders mit Befreiungen um und Fehlstunden können unproblematisch nachgeholt werden.

Kommt es vor, dass Jugendliche das Gefühl haben, etwas zu verpassen?

Eigentlich nicht. Der Leistungssport gibt so viel zurück. Generell haben sie wahnsinnig viel Spaß an dem, was sie machen. Das ist ihr Ding! Der Freizeitaspekt leidet auch nur begrenzt in den Wintermonaten. Und was sie in der Zeit erleben dürfen, ist besonders. Sie reisen viel, finden neue Freunde, oft auch auf internationaler Ebene. Maria Höfl-Riesch und Lindsey Vonn sind ein gutes Beispiel. Sie sind zusammen aufgewachsen...

Und dennoch muss man als Nachwuchssportler ganz schön diszipliniert sein.

Absolut! Aber das ist doch nicht schlecht. Die Erfahrung, wie man strukturiert und fokussiert Dinge angeht, überträgt sich auf jegliche Lebensbereiche. In der Arbeitswelt später schadet das sicher nicht. Dazu kommt der soziale Aspekt, der Wille, an sich zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.

Trotz des großen Aufwands lohnt es sich also, das skibegeisterte Kind zu fördern?

Natürlich. Wenn der Nachwuchs Freude an dem Sport hat, ist das das Beste, was passieren kann. Man darf das nicht eindimensional betrachten – es geht um eine ganzheitliche Förderung. Dazu gehören Verantwortungsbewusstsein und Eigenständigkeit genauso wie die sportliche Ausbildung. Sieht man es auf einem gesellschaftlichen Level, könnte man sagen: Wie viel könnte unser Gesundheitswesen sparen, wenn man die Kinder sportlich fördert! Das Geld, das wir hier investieren, wäre so gut im Vereinssport angelegt...

 

 

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