„Wie willst du das deiner Frau erklären?“

Die legendäre Szene aus dem Spiel der Bayern in Dortmund am 3. April 1999: Heiko Herrlich, der Gebissene, über „eine Drohgebärde aus dem Tierreich“.
von  Abendzeitung
Beißer und Opfer: Heiko Herrlich (links) und Oliver Kahn.
Beißer und Opfer: Heiko Herrlich (links) und Oliver Kahn. © Rauchensteiner/Augenklick

Die legendäre Szene aus dem Spiel der Bayern in Dortmund am 3. April 1999: Heiko Herrlich, der Gebissene, über „eine Drohgebärde aus dem Tierreich“.

AZ: Herr Herrlich, im April 1999 waren Sie Stammgast in der Harald-Schmidt-Show. Als Beiß-Opfer. Als Schmuse-Opfer von Oliver Kahn. Zur legendären Szene aus dem Spiel der Bayern in Dortmund sagte Schmidt: „Olli Kahn hat Heiko Herrlich so sehr in den Hals gebissen, dass Herrlich die Sat1-Aufzeichnung mit nach Hause nehmen musste, um seiner Frau zu beweisen, dass er nicht fremd geht.“

HEIKO HERRLICH: Meine Mitspieler in Dortmund haben natürlich geflachst hinterher: „Heiko, wie willst du das deiner Frau erklären?“ Aber das musste ich dann zum Glück doch nicht.

Schmidt war gut drauf damals zu Kahns wildester Zeit. Ein weiterer Spruch: „Kahn ist mittlerweile so reizbar – er fühlt sich schon angegriffen, wenn ein gegnerischer Spieler eine Bananenflanke spielt." Warum hat er Sie damals in den Hals gebissen? Haben Sie eine Erklärung?

Olli hatte damals einen Rekord ohne Gegentor von 700 und irgendwas Minuten, den wollte ich unbedingt brechen. Unser Abwehrspieler Jürgen Kohler hatte mir damals vor dem Spiel gesagt: Sieh’ zu, dass du den Kahn bei Flanken immer ein wenig anrempelst – das mag er nicht, da verliert er die Nerven.

Ein klarer Auftrag zur Provokation.

Ja, ich hatte es drauf angelegt. Im Spiel hat er eine Flanke runtergepflückt, ich laufe durch und mach’ auf blöd und remple ihn. Das war berechnend, er ist mir dann hinterhergelaufen und hat versucht, mich zu beißen. Ich habe dann so getan, als würde er wahnsinnig aus dem Mund stinken – das war natürlich nicht so.

Und? Haben Sie dabei Angst bekommen?

Das hat mich schon überrascht, dass er sich von so einem einfachen Gerempel provozieren lässt und nicht einfach gesagt hat: „Komm, geh’ raus! Verschwinde aus meinem Strafraum!“ Angst hatte ich in der Situation nicht. Es hat ja auch nicht wehgetan, es war eben eine Drohgebärde aus dem Tierreich. Man sagt ja auch: Hunde, die bellen, beißen nicht. Aber auch ich bin nicht frei von Schuld.

Wieso das denn?

Dieses Provozieren ist ja auch ein Zeichen von Schwäche: Weil man nämlich kompensieren muss, was man sonst sportlich nicht schaffen würde.

Haben Sie später einmal mit Kahn darüber gesprochen?

Vier Wochen danach. Ich war bei Bayerns Vereinsarzt Müller-Wohlfahrt, weil ich einen Muskelfaserriss hatte. Und da habe ich Olli zufällig getroffen, weil er auch irgendwas hatte. Wir haben uns gesehen, und er hat nur die Augen verdreht und gesagt: „Du hast mir jetzt grad noch gefehlt.“ Ein Flachs. Aber es hat sich auch nie der eine beim anderen entschuldigt. Das musste ja auch nicht sein, Provokationen im Fußball gehören eben dazu. Obwohl: Das mit dem Biss würde ihm heute wohl nicht mehr passieren.

Und Sie?

Ich würde mich heute wohl wieder so verhalten wie damals. Ich bereue da nichts, ein Muhammad Ali hat ja auch immer provoziert ohne Ende, sogar auf der psychischen Ebene. Im Nachhinein finde ich die Szene sogar lustig und sehe sie mit einem Schmunzeln. Ich bekomme immer wieder mal eine Postkarte von meinen Ex-Mitspielern, auf der die Szene mit Kahn abgebildet ist.

Interview: C. Paschwitz

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