"Wie Champions League"
Wie 90er-Weltmeister Klaus Augenthaler, einst in der Bundesliga als Trainer erfolgreich, seinen Job bei Drittligist Unterhaching bewertet – und wieso er dieser Tage aufs sein Hobby Angeln verzichtet.
AZ: Herr Augenthaler, in welchem mentalen Zustand befindet sich Ihre Mannschaft nach der Heimpleite gegen Ingolstadt und vor dem Heimspiel gegen Regensburg am Samstag (14 Uhr)?
KLAUS AUGENTHALER: Es wäre gut gewesen, wenn wir gegen Ingolstadt (1:2, d. Red) gewonnen und nicht in der Schlussphase noch die Niederlage kassiert hätten. Wir haben die Niederlage sachlich analysiert. Gegen Regensburg wird es nicht einfacher als gegen Ingolstadt; es ist keine einfache Situation.
Kann es sein, dass Sie hier ein Himmelfahrtskommando übernommen haben?
Was soll das denn heißen? Himmelfahrtskommando? Wir reden immer noch nur von Fußball, da gibt es keine Himmelfahrtskommandos.
Okay, dann anders gefragt: War Ihre Aufgabe 2003, als Sie zwei Spieltage vor Schluss Leverkusen übernommen haben, schwieriger als jetzt Unterhaching?
Auch Sie sollten wissen, dass man solche Dinge nie vergleichen kann! Aber meinetwegen: Damals in Leverkusen blieben zwei Spiele, die man gewinnen musste um in der Bundesliga zu bleiben. Die Situation war prekär, und das mit einer Mannschaft, die davor noch in der Champions League gespielt hatte. Wie wollen Sie das mit Unterhaching vergleichen?
Herr Augenthaler, nochmal: Wie groß ist für Sie die Herausforderung hier?
Das Ziel ist doch klar, ich arbeite mit den Spielern, damit der Klub nicht absteigt. Aber das ist kein Stress für mich. Fußball macht mir einfach Spaß. Aber natürlich ist es noch schöner, wenn man gewinnt, verlieren ist ganz fies, das konnte ich noch nie.
Sie waren drei Jahre raus aus dem Geschäft. Wie schnell sind Sie wieder reingekommen?
Erstens waren es nicht ganz drei Jahre. Und zweitens war ich nie ganz weg, ich war und bin Trainer und Teil des professionellen Fußballs in Deutschland. Ich bin zu den Trainertagungen gefahren, habe mich mit Kollegen ausgetauscht. Ich hatte viel Zeit, um am Wochenende Bundesliga bei einer Tasse Kaffee zu gucken und auch für Bayern 1 die Spiele analysiert. Außerdem habe ich zwei Mal in der Woche mitgekickt bei einer Mannschaft, die in die Bezirksliga aufgestiegen ist.
Dass Sie fit sind, sieht man Ihnen an. Sie scheinen kein Gramm zugenommen zu haben, optisch scheinen Sie sich überhaupt nicht verändert zu haben.
Ja, und jetzt kommt gleich die Frage nach meiner Frisur, die immer noch so ist wie in den Achtzigern, oder? Um das klarzustellen: In den 80ern hat man Vokuhila getragen und meine Frisur ist kein Vokuhila! Ich habe nur keine Zeit gehabt zum Friseur zu gehen, seit ich in Haching bin.
Als Sie zum ersten Mal die Hachinger trainiert haben: Waren die Arbeits-Automatismen sofort wieder da?
Ich habe genug Erfahrung. Innerhalb kurzer Zeit habe ich die Probleme erkannt und bin sie direkt angegangen. Ich weiß schon, was zu tun ist. Ich mache das, was hier nötig ist.
]Haben Sie die letzten drei Jahre eigentlich auf genau diese Aufgabe gewartet? Sie sind 52, eigentlich zu jung, um in Rente zu gehen.
Eigentlich nicht. Und ich habe genügend Angebote gehabt. Die erste Zeit war es schwer, weil man denkt, ohne einen geht's nicht. Ich bin ein Kind der Bundesliga, kam 1975 zu Bayern und war dann nur in dieser Mühle drin. Aber dann habe ich gemerkt, dass mir die Auszeit auch gut tut.
Was haben Sie gemacht in der freien Zeit?
Ich war vorher all die Jahre immer alleine unterwegs, plötzlich konnte ich viel bei meiner Familie sein. Es hat gut getan, mal länger in unserer Burg, in unserer Festung sein zu können.
Und was haben Sie gemacht in Ihrer Festung?
Erleben dürfen, dass es wirklich wichtigere Dinge gibt als Fußball. Ich habe mein Umfeld näher kennenlernen dürfen, wofür ich vorher keine Zeit hatte. Ich habe erfahren, was für Berufe die Leute um mich herum haben, wie sie mit wenig Geld auskommen. Als Fußballprofi wirst du doch nur hofiert.
Auch in Haching?
Auch in der Dritten Liga werden die Spieler hofiert. Aber es ist schon ein Unterschied zur Bundesliga. Hier gibt es viele Jungs, die den Sprung in die Bundesliga noch schaffen können.
Hätten Sie es noch länger ausgehalten ohne Job?
Sie meinen mit meinem schönen Leben? Na klar. Der Unterschied zu jetzt war, dass ich Zeit hatte. Wenn ich morgens aufgestanden bin und Lust hatte, zum Angeln zu fahren, konnte ich das machen. Aber zur Zeit ist ja eh Schonzeit. Da kann ich auch arbeiten.
Auch über den 8. Mai hinaus?
Darüber denke ich nicht nach. Wir haben jetzt fast nur noch englische Wochen vor uns, das ist fast wie in der Champions League.Und Jammern hilft da nicht.
Als Sie Leverkusen trainiert haben, waren Sie schon in der Champions League. Damals wurden Sie sogar als Bayern-Trainer gehandelt. Der Zug ist abgefahren, oder?
Da mache ich mir gar keine Gedanken. Ich habe schon gesagt, dass ich genug Angebote hatte.
Und wieso nie eines angenommen?
Vielleicht hat es nie gepasst.
Am Geld lag es wahrscheinlich nicht, wenn Sie jetzt Haching übernommen haben, oder?
Es muss halt passen. Die Aufgabe muss mich reizen, der Vorstand muss passen, ich muss ich selbst bleiben dürfen. Egal, ob es um Erste Liga, Dritte Liga oder Ausland geht.
Und bei all ihren Stationen hat bislang immer alles gepasst?
Ja. Alles tolle Aufgaben, die mit viel Spaß verbunden waren.
Mit Verlaub, aber was war an Wolfsburg damals so toll? Die Stadt war’s ja wohl nicht?
Die Stadt war's sicherlich nicht, nein. Aber schauen Sie, was der Felix (Magath, die Red.) nach mir machen konnte. Das hätte ich auch gerne gemacht in Wolfsburg. Aber der Klub war noch nicht so weit. Falscher Ort, falsche Zeit.
Interview: Reinhard Franke, Filippo Cataldo
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