Werth-Skandal: Macht der Reiter plumps!
Durch den Dopingfall um Olympiasiegerin Werth gerät der Pferdesport erneut ins Zwielicht. Experten sehen schon Sponsoren abspringen und stellen Vergleiche zum Radsport her.
MÜNCHEN Gestern redete Isabell Werth dann auch. Nach der schriftlichen Erklärung vom Dienstag kam nun ein kurzes Interview über den Ticker. Darin sprach sie, die Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin, vom „schlimmsten Tag meines Lebens". Es klang fast nach Selbstmitleid.
Der Schaden für ihre Sportart ist so oder so kaum zu reparieren. Der Fall der Dressurreiterin, die ihrem Wallach „Whisper" das Psychopharmaka Fluphenazin verabreicht hatte, dieser jüngste von vielen Dopingskandalen im Pferdesport ist für Experten der Beginn des Niedergangs der einstigen Vorzeigedisziplin.
Pferdesportler, das waren immer deutsche Medaillengaranten bei Olympia, und dass die Reiter da oft elitär und schnöselig abgehoben wirkten, man sah es ihnen nach. Sie schienen in ihrer eigenen Welt zu leben. Und das tun sie auch jetzt noch. Das Medikament, das Werth, eine studierte Juristin übrigens, ihrem Pferd gab, hilft gegen Psychosen und Schizophrenie. Derzeit wirken eher die Reiter, als litten sie unter Wahrnehmungsstörungen.
Die erstaunlichen Aussagen von Werth, die kürzlich sagte, nur sie und ihre Stallarbeiter gehe die Art der Pferdebehandlung etwas an, die Argumentation von Ludger Beerbaum („Erlaubt ist, was nicht gefunden wird") verwundert auch die Fachleute. So etwa den Veterinär Eberhard Schüle, Vorstand der Gesellschaft für Pferdemedizin. „Zu sagen, das geht niemanden etwas an, ist nicht weit genug gedacht", sagte er zur AZ. Auch die wie im Fall Werth gerne gebrauchte Begründung, es handle sich nicht um Doping, sondern um eine Medikation, will er nicht gelten lassen. „Wenn das Pferd wirklich krank ist, dann hat es bei einem Turnier auch nichts verloren."
"Im Tal der Tränen gelandet"
Für Schüle hat der Fall auch verheerende Folgen für Ansehen und Vermarktung. „Es sind ja nicht mehr Dopingfälle als früher", sagt Schüle, „es ist nur so, dass es jetzt die Spitzenleute sind, die es trifft. Und das wirkt sich aus. Die Sponsoren sind schon rar geworden, die werden sich künftig kein negatives Image einkaufen wollen." Sie werden abspringen vom Pferdesport.
Parallelen zu anderen Sportlern, die ebenfalls im Sattel sitzen, sieht Peter Ehm, der Münchner Marketing-Experte. „Erst ist der Radsport im Tal der Tränen gelandet, nun der Reitsport", sagt Ehm. „So ist das Ende unaufhaltsam, die Sponsoren und TV-Zeiten werden wegbrechen. So wird Pferdesport nur noch Randsport sein. Mit großen finanziellen Folgen." Wie im alten Kinderreim: „Und wenn er in die Grube fällt, dann macht der Reiter plumps.“
In Aachen dagegen sind sie noch optimistisch. Dort beginnt heute das traditionsreiche CHIO, der Werth-Skandal kam da recht ungünstig. „Die Situation ist unschön", sagte Vermarkter Michael Mronz zur AZ, „aber es zeigt, dass die Maßnahmen greifen und wirken. Wir werden unsere Kontrollen noch verstärken."
Unter anderem mit Detektiven. So wird es in Aachen erstmals eine „Night Watch" geben, Aufpasser und Tierärzte, die nachts unangemeldet in den Stallungen kontrollieren, ob manipuliert wird, dazu erstmals auch mit Thermokameras, mit denen verbotene Salben auf den Beinen der Pferde entdeckt werden können.
Wie miserabel sich Pferdesportler in der Öffentlichkeit verkaufen, zeigte sich gestern am Beispiel Ulla Salzgeber. Anstatt das Thema souverän zu besprechen, wiegelte die Dressur-Olympiasiegerin ab. „Kein Kommentar, kein Kommentar", sagte sie unwirsch, als die AZ sie in ihrem Stall in Bad Wörishofen erreichte und um eine Stellungnahme in Sachen Werth bat. „Ich werde mich zu keiner Ihrer Fragen äußern." Damit war das Gespräch beendet.
Florian Kinast
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