„Werke raus aus der Formel1!“

Striezel Stuck, lange Sportwagenpilot und Berater bei BMW, rät den Herstellern, angesichts der Krise nur noch Motoren zu liefern. „Kers war purer Aktionismus“.
Von Filippo Cataldo
AZ: Es scheint, als ob in der Formel 1 nur noch über Politik gesprochen wird. Die Rennställe prozessieren gegeneinander, McLaren wird wegen der Lügenaffäre bestraft, FIA und die Rennställe streiten sich um das Regelwerk. Einem Vollblut-Racer wie Ihnen wird das nicht gefallen. Oder, Herr Stuck?
STRIEZEL STUCK: Im Gegenteil, ich finde das sogar sehr gut, dass die über die Regeln streiten. Das war längst überfällig.
BMW, Ihr langjähriger Arbeitgeber, droht sogar mit dem Ausstieg.
Und Ferrari macht das gleiche. Die Werke befürchten, dass es die Formel 1, die sie haben wollen und kennen, bald nicht mehr geben wird. Sie merken wohl auch, dass (Formel-1-Promoter, die Red.) Bernie Ecclestone und Max Mosley (FIA-Chef) die großen Hersteller raus haben wollen aus der Formel 1. Und wissen Sie was? Ich finde das gut!
Wie bitte? BMW, Mercedes und die anderen Werke sollen sich zurückziehen?
Ja, die Hersteller sollten raus aus der Formel 1. Zumindest mit ihren eigenen Teams. Die sollen Motoren bauen und dann die Privat-Teams beliefern. Davon würden alle profitieren.
Inwiefern?
Erst seit immer mehr Hersteller Ihre eigenen Autos bauen, sind die Kosten explodiert. Das werfe ich denen gar nicht vor, das ist ganz normal. Die Ingenieure wollen immer bessere Ergebnisse erzielen. Immer spezieller,immer schneller. Und die Vorstände daheim wollen Ergebnisse, sprich Erfolge sehen. Und das kostet halt.
Aber mittlerweile propagiert doch jeder Hersteller die Spar-Formel.
Und geben trotzdem Millionen aus für die Entwicklung von Kers. Und dann nutzt es keiner. Das war purer Aktionismus, der total falsche Weg.
Welcher wäre denn der richtige gewesen?
Wenn, dann hätte man das Kers obligatorisch machen müssen. Jetzt fahren die einen mit, die anderen ohne…
…so, wie jetzt BMW, die das System wohl am meisten gewollt haben.
Genau. Aber das Geld haben sie erst einmal ausgegeben.
Als Sie vor rund eineinhalb Jahren zu VW gewechselt sind, meinten Sie, dass sich ein Einstieg in die Formel 1 nicht lohnen würde, weil es kein Regelwerk gäbe, auf das man sich verlassen könnte…
Die Formel 1 war für VW nie eine Option. Und in der derzeitigen Wirtschaftskrise sowieso nicht. Der Knackpunkt ist das Geld. Die Formel 1 muss wesentlich günstiger werden. Ich verstehe wirklich nicht, wieso sich die Hersteller nicht darauf beschränken, die Privatteams mit Motoren auszustatten.
BMW-Motorsportchef Mario Theissen betont oft, dass BMW heute wesentlich weniger ausgibt für die Formel 1 als noch vor einigen Jahren, als man nur Motorenhersteller war.
Das ist ja richtig. Aber Motoren zu bauen kostet mit dem derzeitigen Regelwerk nicht mehr so viel wie früher. Und schauen Sie sich Mercedes an. Das quasi eigene Team McLaren-Mercedes ist in der Krise, aber dadurch, dass sie auch Brawn beliefern, kann Mercedes trotzdem Siege feiern. Und soll ich Ihnen noch was sagen?
Nur zu!
Wissen Sie, ich bin sieben Jahre lang als Premiere-Experte mit der Formel 1 mitgereist. Und ich habe mir so oft gedacht, dass wir alle im Formel-1-Zirkus diesen riesigen Aufwand betreiben, und dann fahren nur 20 Hanseln da rum. Und überholen sich nicht mal, weil das mit den Autos nicht ging. Es sollten mindestens 30 Piloten da mitfahren. Aber das geht halt so nicht.
Die Kosten…
Genau. Der Zuschauer will doch Rad-an-Rad-Duelle sehen, Überholmanöver, viele Autos. Und da müssen wir wieder hin.
Macht Ihnen die Formel 1 derzeit eigentlich noch Spaß?
Jetzt wieder. Dieses Jahr ist doch toll! Wer hätte denn gedacht, dass ein Jenson Button plötzlich um die WM fährt? Der war doch schon abgeschrieben. Dass Ferrari und die anderen Favoriten hinterherfahren, dass das Feld so unglaublich eng beieinander liegt. Und dann auch noch der Vettel…
…den viele schon für den neuen Michael Schumacher halten.
Nein, er ist Sebastian Vettel. Er ist auch so schon richtig toll. Man tut dem Jungen keinen Gefallen, wenn man ihn ständig mit Schumacher vergleicht.
Aber der nächste deutsche Weltmeister wird er wohl schon werden, oder?
Davon gehe ich aus.
Dieses Jahr schon?
Wieso nicht? Er hat ein sehr schnelles Auto und über seine Qualitäten brauchen wir nicht reden. Dieses Jahr wird er es wahrscheinlich auch leichter haben als nächste Saison. Die Top-Teams werden aufholen. Auch schon dieses Jahr. Vettel muss jetzt eben das Momentum nutzen.
Was trauen Sie BMW noch zu?
Ich wünsche ihnen jedenfalls von ganzem Herzen, dass sie sich noch mal darappeln und im Laufe der Saison noch einmal richtig konkurrenzfähig werden.