Werfen kann er!
Erst beleidigt er Dopingopfer, dann holt er Gold: Der streitbare Robert Harting kann nicht nur hirnlose Sprüche raushauen, sondern auch den Diskus auf überragende 69,43 Meter schleudern
BERLIN Er hatte nur noch diesen einen Versuch. Robert Harting wusste das, als er mit einem kleinen Lächeln im Gesicht den Wurfkäfig betrat. Dieser Wurf musste sitzen, dieser Wurf musste seinen Diskus noch weiter bringen als bei seinen – freilich auch schon sehr guten – fünf Versuchen zuvor.
Harting holte also aus, drehte sich und schleuderte den Diskus in den Berliner Himmel. Und der Wurf saß. Der Diskus flog. Flog so weit, wie noch nie ein Diskus aus Hartings Händen geflogen war. Erst nach 69,43 Metern berührte er wieder den Rasen.
Der Berliner krönte sich mit diesem unglaublichen Wurf zum Weltmeister. Er, der Skandalwerfer von Berlin, das Großmaul mit äußerst fragwürdiger Einstellung gegenüber Dopingopfern, ist der beste Diskuswerfer der Welt.
„Ich kann doch nicht zulassen, dass jemand anders kommt und hier Weltmeister werden will. Den Titel habe ich nicht zu verteidigen, aber das Stadion, das ist meins“, hatte Harting schon vor dem großen Kräftemessen vollmundig angekündigt. Harting hielt Wort – und lieferte auch nach dem Wettkampf, nachdem er sich vor Freude das Trikot vom muskulösen Körper gerissen hatte, eine ähnliche Begründung für seine Leistungsexplosion ab. „Ich konnte doch nicht zulassen, dass dieser Pole gewinnt“, sagte Harting und benutzte im Überschwang der Gefühle und des Adrenalins mal wieder eine fragwürdige Diktion. Mit „dieser Pole“ meinte Harting Piotr Malachowski, der trotz eines gebrochenen Zeigefingers den Wettkampf seines Lebens warf und seine Führung noch bei seinem vorletzten Versuch auf 69,15 Meter ausbaute. Dass das eigentlich hätte reichen müssen für den Titel, war auch Harting klar. „Der erste, der 69 Meter wirft, gewinnt“, hatte der vor dem Wettkampf geunkt. Doch da hatte Harting die Rechnung ohne sich selbst gemacht.
Immerhin: Werfen kann er, dieser Robert Harting, der von sich selbst gerne in der dritten Person redet und zuletzt in Berlin kein verbales Fettnäpfchen ausgelassen hatte und sogar beinahe seinen Ausschluss vom Wettkampf riskiert hätte.
Tags zuvor hatte Harting die Aktion der DDR-Dopingopfer verhöhnt, die in Berlin 20000 Brillen verteilten, um das Publikum auf den weiter stattfindenden Missbrauch aufmerksam zu machen: „Wenn der Diskus aufkommt, soll er gegen eine der Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben – damit sie wirklich nichts mehr sehen. Die Leute, die die Sachen vor den Kopf bekommen, sollen sich Gedanken machen.“
Um einen größeren Skandal zu verhindern, hatte Harting fünf Stunden nach dem Eklat eine Entschuldigung verbreiten lassen. Er „bedaure“ die Aussagen „gegenüber Dopingopfern“ und bat um Nachsicht, „dass die Anspannung des Wettkampfes nachwirkte und zu unakzeptablen Äußerungen geführt hatte“.
Harting hatte schon öfter vorlaut für Eklats gesorgt. So hatte er seinen Teamkollegen Lars Riedel als „Egozentriker“ und Michael Möllenbeck als „Säufer“ diffamiert. Doch im Moment des Triumphs hatte zumindest Diskus-Legende Lars Riedel das gestern Abend offenbar vergessen. „Ich Freude mich wirklich sehr für ihn“, sagte Riedel. Vom Harting gab’s dafür einen freundschaftlichen Knuff in die Seite. Immerhin hat er mit dem Duiskus weder nach Riedel, noch nach brillentragenden Dopingopfern geworfen.
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