Wer ist hier eigentlich der Weltmeister?
Titelverteidiger Kimi Räikkönen wirkt derzeit noch fatalistischer als sonst. Lewis Hamiltons Vorsprung wieder aufzuholen? „Das wird schwierig“, sagt der (noch) amtierende Weltmeister.
BUDAPEST Kimi Räikkönen war spät dran. Viel zu spät, sogar. Schließlich hatte die offizielle Pressekonferenz des Automobilverbandes, bei der Weltmeister Räikkönen erscheinen sollte, schon vor zehn Minuten begonnen, als der Finne einigermaßen missmutig ins Fahrerlager der Budapester Rennstrecke geschlurft kam.
Gewartet hatten sie auf den Weltmeister aber nicht. Aber daran muss sich Räikkönen ja langsam schon gewöhnt haben.
Gerade mal 16 Punkte holte der Ferrari-Fahrer in den letzten vier Rennen. Silberpfeil-Pilot Lewis Hamilton dagegen gewann die letzten beiden Rennen in England und Deutschland in überlegener Manier und liegt in der Fahrerwertung momentan sieben Punkte vor ihm. Auch Räikkönens eher als mäßig talentiert geltender Teamkollege Felipe Massa liegt derzeit vor ihm.
Und die meisten Experten erwarten Hamilton auch beim nächsten Rennen am Sonntag in Budapest (14 Uhr, RTL und Premiere live) ganz oben auf dem Treppchen. Kein Problem, eigentlich. Schließlich gewann Räikkönen die WM letzte Saison auch erst im letzten Rennen in Brasilien. Und auch letztes Jahr lag Räikkönen zur Mitte der Saison hinter dem Briten.
Aber dieses Jahr wirkt Räikkönen nicht mehr so motiviert. Während er letzte Saison immer wieder stoisch wiederholte, dass noch nichts entschieden sei, klingt er jetzt wesentlich vorsichtiger, fast schon fatalistisch sogar. „Lewis hat einen kleinen Vorsprung auf uns, der nicht leicht aufzuholen ist, vor allem wenn wir nicht bald wieder gewinnen. Es wird schwierig“, sagt er jetzt. „Hoffentlich schaffen wir es“, ergänzt er zwar noch eilig in seinem kehligen und fast geflüsterten Englisch, aber seine Mimik wirkt dabei noch ausdrucksleerer und noch emotionsloser als sie es sowieso schon von Natur aus ist.
Dabei hat Ferrari in den letzten zwei Wochen viel getan, um sein Auto weiter zu verbessern. Seit letzter Woche haben jetzt auch die Roten die große Haifischflosse am Heck, wie sie in diesem Jahr Mode ist in der Formel 1. Ob sie was bringe, wird Räikkönen gefragt? „Wir werden sehen“, sagte er. Denn das Testen des neuen Aerodynamik-Pakets überließ er lieber Massa. Bei Michael Schumacher wäre so etwas noch undenkbar gewesen.
Kein Wunder, dass Räikkönen momentan außen vor scheint in der Formel 1. So sehr, dass die Frage gestellt werden muss, wer momentan eigentlich der aktuelle Weltmeister ist. „Ich habe schon noch Spaß an der Formel 1“, sagt er, „aber es gibt auch viele andere Dinge im Leben, die mir Spaß machen.“ Mehr Spaß?
Kein Wunder, dass längst über seinen Rücktritt spätestens nach der nächsten Saison spekuliert wird. „Das habe ich nie gesagt“, verteidigt sich Räikkönen, aber ziemlich schwach: „Ich habe lediglich gesagt, dass mein Vertrag bei Ferrari 2009 ausläuft.“ Was immer das auch heißen mag.
Filippo Cataldo