Wenn der Rollstuhl verschwindet ...

Rechtzeitig zum ersten Heimspiel meldet sich Florian Fischer beim USC München zurück. Die Behindertensportler freuen sich über immer mehr Fans – und internationale Profis in ihrer Liga.
MÜNCHEN „Bei 50 Rollstühlen in einem Flugzeug war klar, dass einer verloren geht“, sagt Florian Fischer (32) und schmunzelt. Vor gut einer Woche, als er vor dem Gepäckförderband am Münchner Flughafen stand, war ihm weniger zum Lachen zumute. Der deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalspieler war gerade von der Europameisterschaft in der Türkei zurückgekehrt und sein Sport-Rollstuhl war unterwegs verloren gegangen. Am nächsten Tag stand das erste Saisonspiel mit seinem Club an, dem USC München. Er verpasste es. Die Stühle, mit denen Rolli-Basketballer über den Platz rasen, sind maßgefertigt, sie kosten bis zu 8000 Euro. Ersatz für Fischers Stuhl war nicht zu finden. Ohne seinen einzigen Nationalspieler verlor der USC knapp in Trier.
„Es war sehr ärgerlich, dass Florian ausgefallen ist“, sagt USC-Trainer Manfred Mikschy. Nun erwartet er für den Heimspiel-Auftakt am Sonntag gegen den Hamburger SV (15 Uhr, Fischer-von-Erlach-Halle, Pasing) Wiedergutmachung für die enttäuschende Niederlage. „Ich will, dass sich jeder den Hintern aufreißt. Wir müssen Hamburg mit 20 Punkten Unterschied weghauen.“
Mikschy, der den USC seit dieser Saison trainiert, hat eine Laufbahn hinter sich, die für Rollstuhl-Basketball gleichzeitig typisch und außergewöhnlich ist. Mit 16 Jahren stürzte er aus zwölf Metern Höhe von einem Baum, seitdem sitzt er im Rollstuhl. Früher hatte er Fußball gespielt, nun begann er mit dem Rolli-Basketball. So weit, so typisch. Außergewöhnlich ist die Karriere des heute 46-Jährigen: Er war Kapitän der Nationalmannschaft, wurde zum ersten deutschen Profi im Rollstuhlbasketball, spielte sogar in Spanien bei CAI Saragossa.
Heute gibt es zahlreiche Profis in der deutschen RollstuhlBasketball-Bundesliga (RBBL), die Spitzenteams beschäftigen Spieler aus Kanada, Südafrika, den USA und zahlen Gehälter im mittleren vierstelligen Bereich. Bezahlbar ist das, weil immer mehr Zuschauer merken, wie spektakulär der Sport sein kann : Das laute Krachen, wenn die Rollstühle mit Schwung aufeinanderprallen, gehört ebenso dazu, wie sehenswerte Drei-Punkte-Würfe. Die RBBL verzeichnete in den letzten Jahren einen starken Zuschauerzuwachs. Vizemeister Lahn-Dill freut sich bei Heimspielen meist über mehr als 1000 Zuschauer.
Profis gibt es beim USC München nicht und auch von den Zuschauerzahlen der Spitzenteams ist man noch weit entfernt. Zumindest letzteres soll sich aber ändern – am besten schon beim Heimspiel gegen Hamburg. Dann ist auch Florian Fischer wieder mit von der Partie. Sein Rollstuhl ist mittlerweile wieder aufgetaucht.
Alexander Neumann