Weltrekorde aus dem DDR-Becken
Mit 5 Jahren fiel Paul Biedermann durch die Prüfung fürs Seepferdchen, mit 22 besiegt er Topstar Phelps – und wehrt sich massiv gegen Doping-Gerüchte
ROM Es sah schon nach Routine aus. Mittwoch, kurz nach 12, im Foro Italico. Ganz locker blieb Paul Biedermann nach der Siegerehrung der 200 Meter Freistil am Beckenrand stehen, setzte ein souveränes Lächeln auf und tat das, was er auch nach seinem Triumph über die 400 Meter machte. Er nahm mit der rechten Hand seine Goldmedaille und zeigte sie den Fotografen.
Es erinnerte fast an die Ratesendung von Robert Lembke aus alten Fernsehzeiten, als die Gäste immer eine typische Handbewegung machen mussten. Die Sendung hieß „Was bin ich“? Und wer ist Biedermann? Der neue Superstar im Schwimmbecken: zwei WM-Titel, zwei Weltrekorde, dazu erstmals ein Triumph über US-Superstar Michael Phelps, den 14-maligen Olympiasieger. Mit einer unheimlichen Leistungsexplosion, die kaum erklärbar schien. Einer Verbesserung der eigenen Bestmarken über 400 Meter Freistil um 6,6 Sekunden und über 200 Meter um 2,7 – innerhalb eines Monats.
Lag es wirklich nur am Wunderanzug (siehe Infokasten)? Oder an der Familie, wie Biedermann immer wieder betonte? Die Eltern, die Großeltern, die alle nach Rom gekommen waren, die ihm in all den Jahren so ein großer Rückhalt gewesen seien. Oder an Freundin Jule? Mit ihr ist er seit zwei Jahren zusammen, sie studiert Europäisches Verwaltungsmanagement und streichelt vor jedem Rennen aus Aberglaube das olympische Plüschmaskottchen, das ihr Paul vor einem Jahr aus Peking mitgebracht hatte.
Oder liegt es doch an anderen Dingen? Wie groß wäre der Aufschrei, würde ein chinesischer Schwimmer seine Bestzeiten atomisieren wie Biedermann? Der 22-Jährige selbst machte nach dem zweiten WM-Gold klar, dass er nicht ewig mit Generalverdächtigungen konfrontiert werden will. „Mit diesen Anschuldigungen kann man viel zerstören“, sagte er, „das ist sehr schade für den Schwimmsport. Man ist sich oft der Tragweite nicht bewusst, was es heißt, die Leute pauschal zu verurteilen.“ Im Moment geht er mit dem Thema jedoch noch offensiv um. „Es ist richtig, dass solche Fragen gestellt werden“, sagt er, „ich beantworte sie auch. Ich habe nie gedopt und werde nie dopen.“ Und Fragen wird es noch viele geben, so lange seine Leistung so außergewöhnlich ist.
Außergewöhnlich ist Saubermann Biedermann in jedem Fall. Einer, der als fünfjähriger Junge durch die Seepferdchen-Prüfung fiel, weil er sich keine 25 Meter über Wasser halten konnte. Einer, der nicht den Leistungssportlerweg einschlug und zu Bundeswehr oder Bundespolizei ging, sondern Zivildienst leistete. Einer, der daheim in Halle an der Saale immer noch in einem alten DDR-Schwimmbecken aus den 60er Jahren mit altertümlichen Startblöcken trainiert. „Die sind 40 Jahre alt“, sagte Biedermann, „ich hoffe, ich bekomme bald neue. Ich will beim Start einiges verbessern.“ Klingt wie eine erste Drohung an die Konkurrenz, drei Jahre vor Olympia. „London 2012“, sagte er, „ist natürlich ein Riesenziel.“ Um die typische Handbewegung zu wiederholen. fk
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