Weltmeister Bradl: Endlich besser als der Papa
Düsseldorf/Valencia - Als Stefan Bradl der Titel nicht mehr zu nehmen war, dachte der neue Motorrad-Weltmeister sofort an seinen Vater. „Ich wollte immer einen Platz besser sein als mein Papa. Das habe ich jetzt in derselben Klasse geschafft. Das ist alles irgendwie unfassbar“, sagte der 21-Jährige nach seinem Titel-Triumph in der Moto2-Klasse. Bradl Senior, der es 1991 „nur“ zum Vize-Weltmeister geschafft hatte, schloss seinen Sohn noch in der Boxengasse innig in die Arme.
„Das, was ich nicht geschafft habe, hat halt der Kleine gemacht. Da bin ich stolz drauf“, sagte Helmut Bradl dem TV-Sender SPORT1. In der Stunde des Triumphs war auch der sonst immer etwas knurrig und kantig wirkende Vater von seinen Emotionen überwältigt: „Stefan ist Weltmeister, er ist der Beste in diesem Jahr in dieser Klasse von der ganzen Welt. Das Ziel ist erreicht und das ist einfach mega-geil.“
Nach einer nervenaufreibenden Saison musste Stefan Bradl beim WM-Finale in Valencia schließlich keine einzige Runde fahren – und dennoch erreichte er das Ziel seiner Träume. Denn durch den Startverzicht des verletzten Spaniers Marc Marquez, der ihm als einziger Fahrer den Titel noch hätte streitig machen können, stand Bradl bereits einen Tag vor dem letzten Grand Prix als neuer Titelträger fest. Im Rennen am Sonntag war der Zahlinger allerdings frühzeitig ausgeschieden. Der Moto2-Champion rutschte in der fünften Runde weg und konnte nicht mehr weiterfahren. Der Freude und den Feierlichkeiten um seinen WM-Titel tat dies allerdings keinen Abbruch.
Nach dem vorzeitigen Triumph von Sebastian Vettel in der Formel 1 stellt Deutschland jetzt also auch einen Motorrad-Weltmeister – einen derartigen Doppel-Erfolg gab es hierzulande bislang noch nie. Im Stile eines Champions stattete Bradl auch gleich dem verletzten Rivalen Marquez einen Besuch ab. „Es tut mir leid für Marc“, sagte Bradl. Doch die gute Stimmung konnte das nicht trüben, auch wenn der 21-Jährige lange etwas ungläubig dreinschaute: „Ich muss das erst mal ein bisschen verdauen, Weltmeister zu sein.“
Marquez war vor zwei Wochen im freien Training in Malaysia schwer gestürzt. Er klagte über Gleichgewichtsstörungen, und er konnte auf einem Auge nicht richtig sehen. Sein Team erklärte nach tagelangem Rätselraten schließlich am Samstag den Verzicht auf das Qualifying. Dadurch war Marquez automatisch nicht fürs Rennen startberechtigt. Die Ungewissheit machte auch Bradl zu schaffen. „Die Spekulationen – startet er, startet er nicht? – haben so ein bisschen das Flair und mein Adrenalin herausgenommen“, sagte der 21-Jährige.
So richtig begreifen konnte er seinen Triumph zunächst nicht: „Ich brauche sicher noch ein wenig Zeit. Wenn mich die Leute als Weltmeister ansprechen, muss ich mich erst daran gewöhnen.“ Auch wenn Marquez mehr Rennen als Bradl gewonnen hat und durch sein Sturz-Pech zur tragischen Figur wurde, so ist der junge Deutsche ein würdiger Weltmeister. „Ich glaube, es war eine spannende Saison bis zum Schluss. Derjenige, der am meisten Punkte am Schluss hat, ist verdient Weltmeister geworden“, sagte Bradl. Das beurteilte Vater Helmut genauso: „Dafür, dass Marc sich verletzt hat, kann Stefan nichts – da ist er selber schuld. Ein offener Kampf wäre Stefan lieber gewesen.“
Die WM-Feier fiel zunächst aus, schließlich musste Bradl am Sonntag noch ein Rennen fahren – sein erstes als Weltmeister. Es wurde daher nur mit einem Gläschen angestoßen, danach ging es früh zu Bett Auch ein gesunder Marquez hätte Bradl wohl kaum vom WM-Thron stoßen können. Der Spanier hätte bei einem Rückstand von 23 Punkten sein Heimspiel in Valencia in jedem Fall gewinnen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben. Bradl dagegen hätte schon ein 13. Platz zum Titelgewinn gereicht. Für Bradl endete eine Saison wie eine Achterbahnfahrt mit einem Happy End. „Wir haben gezittert und gebibbert. Mal ist es bergauf gegangen, mal bergab“, sagt Helmut Bradl. Bis Malaysia war das Titelrennen in der Moto2-Klasse völlig offen. Dann kam es zum folgenschweren Sturz von Marquez.
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