Weltbürgerin erlöst deutsche Schützen
PEKING - Die gebürtige Mongolin Munkhbayar Dorjsuren gewinnt Bronze mit der Luftpistole und beendet damit die deutsche Pleitenserie im Schießen.
Als „Weltbürgerin“ Munkhbayar Dorjsuren mit ihrer Bronzemedaille die Pleitenserie der deutschen Schützen beendet hatte, wollte sie nur noch ihre Tochter umarmen. Die 14 Jahre alte Ujin wischte sich mit einer kleinen schwarz-rot-goldenen Fahne immer wieder ihre Glückstränen ab, während dem deutschen Schützenteam nach dem ersten Edelmetall im neunten Wettbewerb von Peking ganze Felsbrocken von den Schultern fielen.
„Dass ich nach 16 Jahren wieder eine Olympiamedaille gewinne, ist wie ein Traum. Aber ich wollte von meinen fünften Spielen nicht ohne Medaille heimkommen“, sagte Dorjsuren. 1992 hatte die Pistolenschützin in Barcelona noch Bronze für die Mongolei gewonnen, in Peking schaffte die nach einem Studienaufenthalt in Leipzig 2002 eingebürgerte Frau als erste der 38 „Ausländer“ im deutschen Team den Sprung aufs Podest.
Nach dem Vorkampf hatte sie noch auf Platz zwei gelegen, am Ende zitterte sie sich mit 789,2 Ringen auf Platz drei hinter der Chinesin Ying Chen (793,4/Olympischer Rekord) und ihrer mongolischen Freundin Gundegmaa Otryad (792,2). Die 44-jährige Dorjsuren war ein „bisschen traurig“, Silber eingebüsst zu haben, aber am Ende doch „überglücklich“ mit Bronze. Nach der Siegerehrung begann die Jubeltour mit diversen Fernsehauftritten bei der ARD bis hin zum Deutschen Haus.
„Mir ist beim letzten Schuss fast das Herz stehengeblieben. Ich dachte, sie hat zu spät geschossen, hat eine Null, und alles ist verloren. Aber es war eine 10,0“, meinte Bundestrainer Peter Kraneis: „Das ist gewaltig, der Bann ist gebrochen.“
Erst als Kraneis drei Finger für Platz drei zeigte, begann die Weltmeisterin von 1998 und 2002 zu strahlen und riss die Finger mit dem Victory-Zeichen nach oben. Bei der innigen Umarmung mit Ujin vermittelte sie dann aber fast das Gefühl, dass sie sich am meisten darüber freute, ihre Tochter beschenkt zu haben: „Ich freue mich so, dass sie bei Olympia zwei Wochen dabei ist und das hier erleben konnte.“ Das hübsche Mädchen mit dem tränennassen Gesicht war „so stolz auf meine Mama“.
Ujin hatte sich mit Matthias Hahn, dem Lebensgefährten von Munkhabayar Dorjsuren, den Thriller von der Tribüne aus angesehen. Die Familie lebt zusammen in Finnland, wo Hahn Cheftrainer der Schützen ist und Ujin zur Schule geht. Dass die Bronzegewinnerin aus der Mongolei stammt, im hohen Norden Europas lebt und nur hin und wieder zu Trainingslagern nach Frankfurt/Oder einfliegt, war Sportdirektor Heiner Gabelmann am Ende herzlich egal: „Hauptsache, sie hat hier die erste Medaille für Deutschlands Schützen gewonnen und damit gezeigt, dass der internationale Weg, den sie geht, richtig sein kann.“
Gabelmann freute sich besonders, dass nach acht Wettbewerben ohne einen einzigen deutschen Finalplatz eine die erste Medaille gewann, die „immer Leistung von sich und anderen fordert“. Mit ihrer teilweise offenen Kritik war Dorjsuren schon häufig mit dem Deutschen Schützenbund (DSB) aneinandergeraten, jetzt soll sie in Peking als Vorbild dienen. Am Donnerstag wollen die Weltmeister Sonja Pfeilschifter (Dreistellungskampf) und Christine Brinker (Skeet) mindestens aufs Treppchen, am Samstag wird von Ralf Schumann sein viertes Olympiagold erwartet. Schließlich, so Gabelmann, „haben wir einiges gutzumachen“.
Munkhbayar Dorjsuren hat ihre Mission derweil erfüllt: „Ich hoffe, mit meiner Medaille ist der Druck weg. Jetzt können die anderen entspannt schießen.“ Und sie kann gemeinsam mit ihrer Tochter Olympia als Zuschauer genießen.
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