Weitsprung-Weltmeisterin Mihambo: Etwas für andere zu tun, macht mich glücklich

Oftersheim - "Hallo, meine lieben Weltmeister!" Malaika Mihambo strahlt und winkt in die Kamera, als sie die Kinder begrüßt. Normalerweise würde die Weitsprung-Weltmeisterin gerade in die heiße Phase der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele einbiegen – stattdessen widmet sich die Heidelbergerin einem anderen Herzensprojekt. Täglich stellt sie Lern- und Mitmachvideos für Kinder online – direkt aus Ihrem Wohnzimmer. Herzsprung heißt das Projekt, über das Mihambo mit der AZ spricht.
AZ: Frau Mihambo, wem haben Sie heute schon gedankt?
Malaika Mihambo: (lacht) Meinen Kids, die meine Videos anschauen. Denen habe ich gedankt.
Wir fragen natürlich, weil Sie den Kindern in einem Ihrer jüngsten Videos eine Hausaufgabe aufgegeben haben: Nämlich, dass die Kids sich jemanden suchen, dem sie bewusst Danke sagen – sei es mit Worten oder mit einer Geste.
Ja, dabei geht es darum, die Kinder auch in Ihrer Persönlichkeit positiv zu prägen, sie zu selbstbewussteren Mitmenschen zu machen.
Ehrenamtliche Tätigkeiten können wegen Corona nicht stattfinden
Erklären Sie doch bitte mal, wie es zu dieser Idee kam, in der Corona-Krise Videos für Kinder aufzunehmen.
Ab November 2019 habe ich mich bereits an der Grundschule hier zuhause bei mir in Oftersheim ehrenamtlich engagiert, damals haben wir von unserem Verein Starkmacher e.V. eine Spiel- und Sport-AG für Kinder eingerichtet, die einmal in der Woche stattgefunden hat. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit den Kindern zu üben. In der Corona-Krise war das nicht mehr möglich und ich wollte das aber irgendwie weiterführen.

Und dann haben Sie die Kinder quasi in Ihr Wohnzimmer eingeladen, wo Sie Videos mit Übungen und Aufgaben aufzeichnen, die die Kinder zuhause nachmachen können.
Genau, ich wollte den Kindern gerade in dieser Zeit etwas Positives an die Hand geben, weil ich denke, dass Kinder sehr feinfühlig sind. In so einer Phase, wo selbst die Eltern nicht wissen, wie es weitergeht, und einige Familien sogar Existenzängste haben, ist es wichtig, dass man einen Raum kreiert, in dem man den Kindern Strukturen und Orientierung bietet. Und dass man ihnen auch die Möglichkeit gibt, einfach Kinder sein zu können.
Sehen Sie sich gerade in dieser Zeit in Ihrer Vorbildfunktion gefordert?
Ich finde, das ist etwas, was den Sport bereichert, wenn man das nicht nur für sich selbst macht, sondern seine Rolle und seine Stellung in der Gesellschaft auch nutzt, um anderen etwas Gutes zu tun.
Nicht nur Sport spielt in Übungen eine Rolle
Was wollen Sie den Kindern vermitteln?
Das Projekt verfolgt einen umfassenden Ansatz. Zum einen spielt der Sport natürlich eine große Rolle, ich präsentiere den Kindern zum Beispiel Dehn- oder Koordinationsübungen. Aber der Sport ist auch ein gutes Bindeglied, um darüber hinaus andere Werte zu vermitteln, deshalb hat jeder Tag auch sein eigenes Thema. Ich will den Kindern lehren, dass sie mit sich selbst achtsam umgehen, dass sie sich selbst, aber auch anderen etwas Gutes tun, dass sie sich Ziele setzen und Wünsche formulieren. Die Kinder sollen sich ihrer eigenen Stärken bewusst werden. Auch Kreativität und Wissensvermittlung spielen eine Rolle, gerade das Thema Natur ist schon wegen meines Studiums der Umweltwissenschaften für mich wichtig.
Diesen ganzheitlichen Ansatz verfolgen Sie selbst ja schon immer. Sie wollen sich nicht auf die Rolle als Sportlerin beschränken, sondern verfolgen ganz vielfältige Interessen. Ergibt denn nur eine gute, ausgeglichene Persönlichkeit einen guten Sportler?
Das macht es auf jeden Fall einfacher, wenn man auf allen Ebenen an sich arbeitet, denn der Sportler ist ja in erster Linie immer Privatmensch. Und den nimmt er mit auf den Sportplatz. Wenn man etwas mit seinem Leben anzufangen weiß und glücklich ist, dann ist man auch der bessere Sportler.
Sie gelten mental als sehr stark. Wie schaffen Sie es persönlich, immer das Beste aus sich herauszuholen?
Ich arbeite ja bekanntermaßen viel mit Meditation. Wichtig ist auch die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten und in sich hineinzuhorchen: Was brauche ich gerade? Was tut mir gut, was stört mich? Wo sind meine Stärken, auf die ich mich konzentrieren kann? Gerne sollte man auch was für andere tun, weil einen das zu einem glücklicheren Menschen macht.
Mihambo verfolgt ihren Traum eines sozialen Projekts
Normalerweise sind Sie eher zurückhaltend, Privates von sich preiszugeben. War es für Sie ungewohnt, die Kinder direkt zu sich ins Wohnzimmer zu holen?
Das war etwas gewöhnungsbedürftig, aber für den Sinn des Projekts ist es angemessen. Wenn man Kinder erreichen will, muss man auch nahbar sein, und dazu gehört es, dass man sich zeigt. In diesem Rahmen fühlt es sich richtig an.

Mit der Olympia-Verschiebung ist Ihr größtes sportliches Ziel in diesem Jahr weggefallen. Ist das Projekt mit den Herzsprung-Videos auch etwas, mit dem Sie das Fehlen dieses Ziels kompensieren können?
Das ist weniger die Kompensation eines Ziels, sondern mehr eine Erweiterung, weil ich immer schon ein soziales Projekt starten wollte. Für mich ist das nun ein anderer Lebenstraum, den ich mir erfüllen kann, nachdem der mit den Olympischen Spielen erstmal verschoben wurde – aber auch da geht es weiter.
Was hat die Verschiebung der Olympischen Spiele bei Ihnen bewirkt?
Das muss man erstmal verdauen, in sich hineinhören und die Gefühle verarbeiten. Letztendlich ist das jetzt in Ordnung so. Das Leben bietet ja mehr als nur Sport, deshalb ist die Verschiebung für mich vielleicht weniger hart als für andere. Klar, Sport ist einer der wichtigsten Bestandteile meines Lebens, aber es gibt eben viele weitere Bausteine, so dass es nicht ganz schlimm ist, wenn einer momentan wegfällt.
Nebenbei investiert sie ihre Zeit in Klavierunterricht und Studium
Wie können Sie derzeit trainieren?
Im Baden-Württemberg soll Training für Sportler wohl bald wieder möglich sein. Ich bin aber noch in der Rehaphase, weil ich mir in der Hallensaison eine Prellung am Rücken zugezogen habe. Die ist zwar nicht schlimm, aber jetzt, wo man die Zeit hat, kann man das ganz schonend ausheilen lassen.
Wie bringen Sie die Zeit sonst rum? Wie steht’s zum Beispiel um Ihr Klavierspiel?
Ich kann online immer noch meinen Klavierunterricht wahrnehmen und versuche, täglich zu üben. Ich komponiere derzeit sogar meine eigene Sonate.
Haben Sie überhaupt noch Zeit, sich um Ihr Studium zu kümmern?
Jetzt wieder. Mein Herzsprung-Projekt hat am Anfang viel Zeit in Anspruch genommen, weil es eben nicht nur um Sport geht, sondern vielschichtiger und tiefgreifender sein soll. Aber ich kann dabei sehr viel lernen und praktische Berufserfahrung sammeln, deswegen ist das toll. Und natürlich ziehe ich selbst auch viel Kraft und Motivation daraus.