Weitspringer Reif: Könnte auf Usain Bolt verzichten

Ex-Europameister Christian Reif nimmt beim Doping-Thema vor der Leichtathletik-WM in Moskau kein Blatt vor den Mund und äußert Misstrauen auch gegen Usain Bolt.
von  dpa

Moskau - "Wenn ich davon ausgehe, dass alle Menschen sauber sind, dann würde ich vergessen, was in den vergangenen Wochen passiert ist", sagte Reif in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung in Anspielung auf die Doping-Skandale um die Sprinter Tyson Gay und Asafa Powell sowie die 31 suspendierten türkischen Athleten. Die Welttitelkämpfe beginnen am Samstag.

"Die positiven Fälle waren zwar nicht im Weitsprung, aber wenn ich sagen würde, das passiert nur im Sprint, nur bei Russen, Türken und Jamaikanern, dann würde ich auch annehmen, dass man nur in diesen Ländern Steuern hinterzieht und Ehen bricht", sagte er. Doping sei ein Problem der Menschen, die immer gieriger werden.

Verständnis hat Reif dafür, dass nach den Sprint-Fällen auch Zweifel an den Weltrekorden und Erfolgen von Superstar Usain Bolt gehegt werden. "Das ist die schnellste und einfachste Herleitung der jüngsten Fälle, die man den Menschen auch zugestehen muss", meinte er. "Das ist einfach jenseits der Vorstellungskraft vieler Leute und - wenn ich ganz ehrlich sein soll - auch für mich." Deswegen müsse er sich diese Herleitung gefallen lassen. "Er scheint ja drüberzustehen. Aber es würde mich nicht wundern, wenn er irgendwann genauso wie Lance Armstrong scheitern wird", sagte Reif.

Dass der Jamaikaner Bolt dem Ansehen der Leichtathletik gut tut, glaubt er nicht uneingeschränkt. "Ich persönlich könnte sehr gut auf Usain Bolt verzichten", bekannte Reif. "Wenn man von dem ausgeht, was ich glaube, schadet er einfach zu vielen anderen Sportlern. Ich kann nicht sagen, dass er gedopt ist. Ich kann nur Vermutungen anstellen - und die teilen komischerweise sehr viele Menschen."

Der WM-Siebte von 2011 springt zudem dem Hürdensprinter Matthias Bühler wegen dessen Klage gegen die Nichtberücksichtigung für die WM zur Seite. "Ich verstehe, dass Matthias gegen die Nominierung geklagt hat. Ich würde es genauso machen", sagte der 28-jährige Athlet des LC Rehlingen. "Ich werde mich mit dieser Aussage nicht beliebt machen beim Verband, die Entscheidung hat dem DLV sicher selbst keinen Spaß gemacht." Aber der Fall Bühler habe "einen Beigeschmack", weil Cheftrainer Cheick-Idriss Gonschinska Trainer von Balnuweit in Leipzig war.

Der Rechtsausschuss des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) hatte die Klage des Offenburgers Bühler auf eine Nominierung für die WM zurückgewiesen. Einziger deutscher Starter über 110 Meter Hürden ist damit Erik Balnuweit (Leipzig). Bühler ist zwar deutscher Meister über 110 Meter Hürden, doch Balnuweits Jahresbestleistung von 13,44 Sekunden ist um eine Hundertstel besser als die von Bühler. Die WM-Norm erfüllten beide Sportler nicht. Der DLV durfte nach den Statuten des Weltverbandes IAAF keine zwei Starter nominieren.

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