Weißflog über Freund: "Nie Tourneesieger? Kein Makel"
München - Der 51-Jährige Weißflog war drei Mal Olympiasieger und drei Mal Weltmeister im Skispringen, vier Mal siegte er bei der Vierschanzentournee.
AZ: Herr Weißflog, wie haben Sie, Deutschlands Skisprung-Ikone, das Duell bei der Vierschanzentournee zwischen Severin Freund und Peter Prevc bisher gesehen? In den ersten drei Springen war das zumindest aus deutscher Sicht spannend wie lange nicht, oder?
JENS WEISSFLOG: Es ist das, was sich viele seit Jahren gewünscht haben. Dass man aus deutscher Sicht im Kampf um die Gesamtwertung zumindest ein Wörtchen mitredet.
Vor dem abschließenden Springen in Bischofshofen liegt Freund 20 Punkte hinter Prevc zurück. Er hat selbst gesagt, dass er ein kleines Wunder braucht. Glauben Sie daran?
Das hat es alles in der Tournee-Geschichte schon mehrfach gegeben, auch dass so ein Rückstand aufgeholt werden konnte. Theoretisch ist die Chance da, ob Freund sie nutzen kann, hängt auch davon ab, ob Prevc sich eine Schwäche leistet.
Was macht den Unterschied zwischen den beiden aus?
Vielleicht kann Freund aktuell nicht die allerbesten Sprünge abrufen, aber die Unterschiede sind minimal. Prevc hat einfach im Moment den besseren Lauf und ist in der Form seines Lebens. Dass er in entscheidenden Momenten in der Lage ist, die Sprünge so abzurufen, zeichnet ihn schon aus.
Aktuell reichen ein erster, ein dritter und ein zweiter Platz wohl nicht zum Tournee-Sieg. Muss er im nächsten Jahr Sven Hannawalds Rekord einstellen und alle vier Springen gewinnen, um zu triumphieren?
Man sollte auch mal mit einem zweiten Platz zufrieden sein. Wir haben jahrelang gewettert, dass es nun doch wieder nicht mit einem Gesamtsieg bei der Tournee geklappt hat. Aber im vergangenen Jahr wären wir doch froh gewesen, wenn wir wenigstens auf dem Podest gewesen wären. Dieses Jahr ist es dann so weit. Einer ist stärker, aber trotzdem ist es eine herausragende Leistung.
Wie bewerten Sie Freunds Leistung am Sonntag, schließlich war er im Probedurchgang noch gestürzt?
Mir ging das in Innsbruck mal ähnlich, ich bin auch im Probedurchgang gestürzt. Gut sah es nicht aus, besonders wie er mit dem Schädel gelandet ist. Aber wenn es keine körperlichen Probleme gibt, ist man als Springer relativ schnell wieder in der Lage, sich auf die Situation einzustellen. Natürlich wird er jetzt eine Art Schleudertrauma haben. Ob das ein Einfluss auf die Sprünge haben kann, merkt man erst ein, zwei Tage später. Mit seiner Sicherheit bei der Landung hat er aber gezeigt, dass er sich davon nicht beeindrucken lässt.
Bundestrainer Werner Schuster nannte die "nicht ausreichende" Präparierung des Hangs als Grund für den Sturz.
Da muss man ihm Recht geben. Der Hang sah nicht gut präpariert aus. Da hatten einige Probleme. Am Anfang ist der Schnee nicht so glatt gefahren, wie im 1. Durchgang, wenn noch mal 50 Springer drüber sind. Trotzdem muss ein Veranstalter in der Lage sein, den Neuschnee raus zu bringen.
Glauben Sie, dass Freund Sie Ihre Marke von 33 Weltcupsiegen erreichen kann, aktuell steht er bei 21?
Warum nicht? Er ist ja nicht in einem Alter, in dem man sagt: Da ist jetzt übermorgen Schluss. Die Seriensiege werden natürlich immer schwieriger, je älter man wird. Severin Freund springt seit vielen Jahren beständig in der Weltspitze mit. Es bleibt abzuwarten, ob diese Serie nicht auch irgendwann mal nachlässt.
Sie sind neben Espen Bredesen, Thomas Morgenstern und Matti Nykänen einer der vier Athleten, der die vier wichtigsten Wettbewerbe – Olympia, WM, Gesamtweltcup und Vierschanzentournee – gewonnen hat. Freund fehlt der Tournee-Sieg. Warum?
Schwer zu sagen. Es ist von so vielen Dingen abhängig, dass man es oft nicht erklären kann. Für manchen ist die Tournee eben einfach nicht das Ereignis, bei dem er erfolgreich ist. Es ist immer die Frage: Ist es ein Makel in der Vita oder nicht? Ich hatte bei der Tournee immer irgendwie einen Lauf. Ich sehe es aber nicht als Makel an, wenn man dort nicht vorne ist dafür aber Olympiasieger, Weltmeister und Weltcupsieger ist.