Weißflog: "Eine neue goldene Generation"
Im Teamspringen triumphieren die deutschen Skispringer erst zum dritten Mal bei Olympischen Spielen. Skisprung-Legende Jens Weißflog traut Andreas Wellinger, Andreas Wank, Marinus Kraus und Severin Freund nun Großes zu.
Sotschi - Am Ende mussten doch wieder die Österreicher aushelfen. Als die Olympiasieg-Sause der deutschen Goldadler die Sperrstunde im deutschen Haus um 2.30 Uhr überschritten hatte, mussten Andreas Wank, Andreas Wellinger, Marinus Kraus und Severin Freund weiterziehen.
Mehrere Fünf-Liter-Magnum-Pullen Schampus hatten sie verspritzt und getrunken, ehe sie im Österreich-Haus um Party-Asyl baten. Obwohl sie den Ösis im Teamspringen sensationell Gold weggeschnappt hatten, wurden sie feucht-fröhlich aufgenommen.
"Irgendwie mussten wir die Zeit überbrücken. Zwischen 2.30 und 4.30 Uhr fährt die Gondel Richtung Hotel ja nicht", sagt Freund grinsend, "außerdem sind wir nur unserem Trainer gefolgt."
Der Trainer, dem sie da wie Party-Lemminge hinterherliefen, ist Werner Schuster. Der Österreicher war es, der die deutschen Skispringer nach Jahren des Hinterherspringens wieder zu Überfliegern gemacht hat.
Dabei war er nicht unumstritten: Zu groß schien der Schatten von Reinhard Heß, der einst Sven Hannawald und Martin Schmitt zu Goldspringern gemacht hatte und dessen Adler den Skisprung-Boom hierzulande auslösten, auf dass sich sogar RTL in Formel-1-Manier dem einstigen Randsport annahm.
In den letzten Jahren aber waren sie abgestürzt, auch bei der Vierschanzentounee nicht mehr siegfähig (zuletzt Hannawald 2002), und Trainer Schuster spürte den Gegenwind. Zu jung, zu unerfahren – und dann noch Österreicher.
"Wenn es auf einer Wanderung neblig wird, Sie aber wissen, wo es lang geht – dann müssen Sie vorangehen und durch den Nebel durch. Dann werden Sie irgendwann den Gipfel sehen", sagt Schuster (44) über seinen Kampf.
Jetzt steht er auf dem olympischen Gipfel, da will er bleiben. "Von diesem Erfolg werden wir die nächsten zehn Jahre profitieren. Der Olympiasieg in der Mannschaft, das war nur der erste Schritt."
Diesen Schritt sind die deutschen Mannschaften erst zwei Mal zuvor gegangen: 1994 in Lillehammer und 2002 in Salt Lake City. Vor fast genau 20 Jahren krönten sich Jens Weißflog, Dieter Thoma, Christof Duffner und Hansjörg Jäkle zu den Königen der Lüfte, 2002 waren es Sven Hannawald, Stephan Hocke, Michael Uhrmann und Martin Schmitt.
"Bis wir mit denen in einem Atemzug genannt werden können, müssen wir noch einiges gewinnen. Zu Hannawald und Weißflog fehlen uns Einzelmedaillen", sagte Freund, "es gibt also noch einiges zu tun."
Die Heroen verneigen sich vor ihren Erben. "Mit diesem Erfolg haben sie es ihren Kritikern, auch mir, gezeigt", sagte Ex-Weltmeister Hannawald bei "Sky", "Schuster hat viel bewegt. Er hat das Team auf eine Super-Spur gebracht."
Zustimmung von Triple-Olympiasieger, Triple-Weltmeister und Quadruple-Vierschanzentournee-Sieger Jens Weißflog.
"Ich sehe eine goldene Zukunft für das deutsche Skispringen. Das Quartett ist sehr jung, sie haben allen gezeigt, dass sie gewinnen können. Das kann eine neue, goldene Generation werden", sagte der 49-Jährige der AZ, "dieser Erfolg ist ganz wichtig, damit Skispringen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht in Vergessenheit gerät."
"Der Hype, den es um Schmitt und Hannawald gab, den wird es wohl nie wieder geben – und das muss auch nicht sein, denn es lenkt sehr vom Sport ab – aber ich denke, wir können uns auf die nächsten Jahre freuen. Mich erinnert diese Truppe sehr an das Gold-Team von 1994, als wir auch alle Erwartungen übertroffen haben, 2002 war das ja anders, da haben ja alle Gold erwartet."
1994, 2002, 2014 – klingt angelegt an den Fußball-WM-Song der Sportfreunde Stiller schon mal nicht schlecht.