Weißblaue Bande

Mit der Rückkehr von Philipp Kohlschreiber sind in der TennisBase in Oberhaching nun die drei besten deutschen Spieler versammelt.
von  Jörg Allmeroth

München - In der letzten Tennissaison begleitete ihn ziemlich hartnäckig der seltsame Ruf, ein „Fragezeichen auf zwei Beinen" (so das Magazin „World Tennis“) zu sein. Und tatsächlich war Philipp Kohlschreiber ja sich und seinen Fans ein einziges Rätsel, ein verunsicherter Mann, der auf seinen Reisen im Wanderzirkus der Profis weit mehr Enttäuschungen als Glücksmomente in einer mittelprächtigen Bilanz addierte. Im Spätsommer, nach den verkorksten US Open, zog er auch auf Geheiß seines familiären Umfelds die Reißleine und trennte sich jäh von seinem schottischen Trainer Miles McLagan, „der wohl einfach nicht zu mir passte“.


Nun hat Kohlschreiber sich neu aufgestellt, um der stagnierenden Karriere mit 28 noch einmal einen kräftigen Kick zu geben. Kohlschreiber kehrt reumütig in die TennisBase des Bayrischen Landesverbandes in Oberhaching zurück, wo er viele Jahre der umhegte Frontmann gewesen war: „Ich weiß, was mir nicht gut tut – und was ich wirklich brauche."


Kohlschreibers Wiedereinbindung in den Stützpunkt im Münchner Südosten ermöglicht die sinnvolle Konzentration der Kräfte im deutschen Herrentennis – schließlich trainieren dort auch Florian Mayer, die aktuelle Nummer 1 des DTB, und Philipp Petzschner, Nummer 3. „Ich glaube, der positive Konkurrenzkampf wird uns alle weiterbringen", sagt Kohlschreiber, der als freischwebender Einzelunternehmer nicht klar kam im Tennisbetrieb, „ich finde es einfach schöner, an eine Gruppe wie hier in München angebunden zu sein."


Mit den drei Bayern als Leitfiguren geht Deutschland Anfang Februar auch in die Erstrundenpartie im Davis Cup gegen 2011-Finalist Argentinien, in Bamberg fühlt sich die weiß-blaue Bande keinesfalls als Außenseiter.


„Wir haben das Zeug für eine Überraschung", sagt Mayer, derzeit die Nummer 23 der Welt. Die Top Ten und einen „Kracher bei einem richtig großen Turnier" peilt der Bayreuther an, zudem will er den Spitzenplatz in der nationalen Hackordnung verteidigen, auch gegen Kohlschreiber und Petzschner.


Petzschner hatte in den letzten Wochen mit dem Gedanken gespielt, das heimatliche Bayern wieder zu verlassen und Trainingsmöglichkeiten rund um sein Wahldomizil bei Köln zu finden, in der Nähe von Frau und Kind. Doch dem Reiz, mit seinen Freunden und stärksten nationalen Mitstreitern zu trainieren und sich auch schon in der Übungsarbeit an ihnen zu messen, konnte sich der Filigrantechniker letztlich nicht entziehen. Anders als Mayer und Kohlschreiber richtet Petzschner in den ersten Monaten des neuen Jahres sein Augenmerk allerdings auch immer wieder aufs Doppelgeschäft, stets mit dem Hintergedanken eines Mitwirkens bei den Olympischen Spielen in London und einem möglichen Medaillencoup. Petzschner wird sich in einem flexiblen Personalplan vorerst gemeinsam mit Rückkehrer Kohlschreiber den erfahrenen, souveränen Coach Stefan Eriksson (Schweden) teilen. Mayer hingegen vertraut der eingespielten Partnerschaft mit dem sympathischen Kumpeltyp Tobias Summerer.


Nicht nur wegen des hier angesiedelten führenden deutschen Tennis-Trios entwickelt sich die „TennisBase" im Süden der Republik zu einem markanten Kraftzentrum: Auch talentierte Spieler wie Matthias Bachinger oder Daniel Brands arbeiten hier gerade daran, sich unter die ersten 100 der Rangliste vorzuschieben, dazu lauern Youngster wie Kevin Krawietz oder Marko Krickovic auf einen gelungenen Einstieg in die Erwachsenenwelt des Tennis.


„Die TennisBase entspricht der Philosophie großer Nationen in der Branche, die ihre Topleute zusammenziehen und frühzeitig dem Wettbewerb aussetzen", sagt BTV-Chef Helmut Schmidbauer. Im Stützpunkt-Internat, in dem sich die Generation Übermorgen für ein Profileben trimmt, kommen auch fast alle Spieler aus dem bayrischen Sprengel. Aufgrund der regen Nachfrage nach Internatsplätzen denkt der BTV bereits über einen Ausbau in Oberhaching nach.

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