Weinen wie ein Großer

Andy Murray bleibt chancenlos gegen Roger Federer, den Daddy Cool des Tennis.
MELBOURNE Erst schaute er sich alte Hollywood-Komödien an, und dann vertrieb Andy Murray sich auch noch mit englischen Satire-Shows die lange Wartezeit bis zu seinem ersten Finaleinsatz in der Rod Laver-Arena - in jenen 72 nervösen, angespannten Stunden, die zwischen seinem Halbfinalsieg und dem ersten Ballwechsel am Sonntagabend lagen. Die heiteren Seiten des Lebens allerdings spielten sich für den braven Schotten ausnahmslos im Film ab, im Vorspiel zum Endspiel: Als der Ernst des Grand Slam-Kampfs rief in Melbourne, war schnell Schluss mit lustig für Murray.
Überwältigt von der zupackenden Entschlossenheit und Nervenstärke Roger Federers, war in drei Sätzen auch schon alles vorbei für den guten, aber nie an seinen Limits spielenden Herausforderer. Die große Bühne gehörte beinahe schon selbstverständlich dem netten, aber unnachgiebigen Dominator: Dem Maestro aus der Schweiz, der mit seinem 6:4, 6:3, 7:6 (13:11)-Sieg zum Schrecken der Rivalen bewies, dass er auch als Papa noch lange, lange Zeit der Beste sein kann. „Es ist ein sehr spezieller Sieg, dieser erste Sieg als Vater", sagte Federer. Noch vor zwölf Monaten hatte er todtraurig bei den Siegerzeremonien gestanden, als Statist im Schatten von Champion Rafael Nadal, nun war er „außer sich vor Glück" und hatte Murray zum Heulen gebracht. Mit stockender, tränenerstickter Stimme gab der ausgezählte Verlierer zu Protokoll: „Weinen kann ich schon wie Roger, nur noch nicht so gut spielen wie er."
Federers Einschüchterungsworte vor dem Duell („Der arme Andy. Er steht unter Druck, denn die Briten haben seit 150000 Jahren keinen Grand Slam mehr gewonnen") schienen Murray wie Bleiwesten auf den Schultern zu liegen. Wer vorher nicht wusste, wie ein 15-maliger Grand Slam-Champion spielt, und wie einer, der noch keinen der großen Titel im Gepäck hat, konnte es anderthalb Stunden lang in der Rod Laver-Arena schonungslos betrachten.
„Ich habe hier mit das beste Tennis meines Lebens gespielt", sagte Federer, der Daddy Cool des Tennis, der seine Krise längst überwunden hat. „Man muss den Biss haben, nach diesen Tiefschlägen aufzustehen. Nie seine Linie, seine Zuversicht zu verlieren", sagte der Weltranglisten-Erste, der an diesem Montag nun in seine 268. Woche als Nr. 1 geht.
Jörg Allmeroth