Wasmeier im AZ-Interview: „Es ist nicht lustig, was Felix macht“

Im AZ-Interview spricht Markus Wasmeier über die zweite Woche bei der Ski-WM, die Leiden von Neureuther – und erklärt, warum Abfahrer fehlen.
von  Interview: Thomas Becker
Deutschlands Topstar bei der Ski-WM: „Felix ist natürlich die absolute Nummer eins“, sagt Wasmeier über Neureuther.
Deutschlands Topstar bei der Ski-WM: „Felix ist natürlich die absolute Nummer eins“, sagt Wasmeier über Neureuther. © dpa/az

AZ: Herr Wasmeier, wie haben Sie als Weltmeister und Doppel-Olympiasieger die bisherige Saison der DSV-Athleten verfolgt?

Markus Wasmeier: Enorm spannend ist das heuer, vor allem bei den Herren. Was da derzeit geboten wird: Hut ab, hohen Respekt! So etwas gab es nur mal in den 80er-Jahren, als wir im Super-G acht Leute unter den besten Zehn hatten. Das war tatsächlich mal eine deutsche Disziplin, 1986/87. Siege gab es zwar nicht so oft, ein paar von mir halt, aber wir waren immer gut platziert in der Weltrangliste. Aber jetzt entsteht wieder eine Mannschaft – was wir lange nicht hatten. Ich würde mir sogar eine noch größere Mannschaft wünschen, um die Jungen mit Felix & Co. trainieren zu lassen. Wir waren früher 28 Mann im Team – und jeden Tag durfte ich die Älteren ärgern. Das war die stärkste Zeit des Deutschen Skiverbands.

Wahrscheinlich ist so ein großes Team heute gar nicht mehr zu finanzieren...

Damals wollten sie ja auch alle rausschmeißen und mit Neuen anfangen, aber dann kam ein Klaus Mayr und sagte: ,Nix da, wir schmeißen keinen raus, sondern tun uns alle zusammen!’ Daraus ist die stärkste Mannschaft entstanden, querbeet von Slalom bis Abfahrt.

Aber gab es da schon die aufwendigen Trainingslager in Neuseeland und Südamerika?

Klar. 1983 waren wir zum ersten Mal in Neuseeland: der Beginn dieser Ära.

War damals mehr Geld da als heute?

Eben auch nicht! Es gab wesentlich weniger Trainer, jeder hat mithelfen müssen, und wir waren halt 28 Mann, zwei Schlafzimmer, ein Bad, ein Aufenthaltsraum und 40 000 Schafe um uns. Und schön war’s, wir haben es genossen! Man muss nicht unbedingt im Vier-Sterne-Haus sein und mit 25 Trainern rumsausen. Man kann auch viel erreichen, wenn man ein bisschen zurückgeht und dafür die Mannschaft mitnimmt. Das sieht man jetzt leider auch bei den Damen...

...deren Team praktisch nur aus Viktoria Rebensburg besteht.

Maria Höfl-Riesch hat sehr viel weggenommen, alle Trainer haben sich nur um sie gekümmert und nicht um die Mannschaft, und dann hast du irgendwann eine Lücke – wie übrigens auch die Österreicher hinter Marcel Hirscher.

Und wenn Felix Neureuther seinen geschundenen Körper nicht mehr weiter quälen will?

Dann haben wir noch den Fritz Dopfer, den jungen Linus Strasser, den Schmid Philipp, Dominik Stehle und noch einige andere, die nachkommen. Die nächsten Jahre ist da ein ganz gutes Team im Wachsen.

Wie sieht es im Speedbereich aus?

Das wird immer ein Manko sein.

Wieso?

Weil die Philosophie des DSV eher auf Technik fußt. Weil sie sagen: ,Abfahrt ist zu gefährlich. Da verlieren wir vielleicht wieder einen durch Verletzung.’ Weil die Jungen noch nicht mal bei der deutschen Meisterschaft mitfahren dürfen. Mein mittlerer Sohn ist jetzt 20 und keine einzige Abfahrt gefahren. Das ist für mich unverständlich, weil die 16-, 17-Jährigen einfach schnell fahren wollen. Die fahren ja privat auch alle schnell. In den schnellen Disziplinen braucht man einfach Kilometer. Man hat zwar das Gefühl, dass es leichter ist mit weniger Kurven, aber dieses riesengroße Gelände vor sich zu haben, dieser Winddruck – damit muss man umgehen lernen, Instinkte aufbauen. Mit 22 – als Quereinsteiger – ist das sehr schwer.

Wie machen das die anderen Nationen?

Die Österreicher haben das umgekehrte Problem: Wenn da einer ein guter Techniker ist, will der sofort zur Abfahrt, weil das in Österreich immer noch die Königsdisziplin ist. Aber bei uns fehlt einfach die Fahrpraxis. Man hat heute ja auch keine fünf Trainingsläufe mehr vor einem Rennen, sondern höchstens zwei. Und dann soll so ein Junior das schon beherrschen? Ganz, ganz schwer. Aber nochmal mein Plädoyer für eine große Mannschaft: Auch einem Techniker bringt es etwas, mal auf einem langen Ski zu fahren und den Speed zu spüren. Dann bildet sich Leidenschaft und eine Sicherheit, und wenn man die hat, kann man so einen Sport beginnen.

Was ist in der zweiten WM-Woche vom deutschen Team zu erwarten?

Jetzt geht’s ja erst richtig los. Im Slalom und Riesenslalom sind wir mit Felix Neureuther und Fritz Dopfer vorn dabei, und im Slalom ist mit dem Strasser Linus noch ein Münchner dazu gekommen, der ganz unbekümmert und ohne Druck drauflosfahren kann – und das ist bei solchen Großveranstaltungen gar nicht so ungeschickt. Aber Felix ist natürlich die absolute Nummer eins.

Und das trotz gravierender Rückenprobleme...

Der hat wirklich Probleme! Der kommt manchmal daher wie ein alter Mann von 50 Jahren, der nicht mehr gerade stehen kann. Aber er hat sehr gute Therapeuten, die ihn immer wieder so hinkriegen, dass er die eine Fahrt machen kann. Und er kann halt die Schmerzen ausblenden, wenn er am Start steht. Aber danach sieht man ihn besser nicht an! Aber er liebt und lebt das halt mit Leib und Seele. Lustig ist das nicht, was er da macht. Das kostet ihn auch enorm viel Energie. Er wird froh sein, wenn alles mal wieder vorbei ist und im Sommer so etwas wie Normalität einkehrt.

Was kann Fritz Dopfer reißen?

Der muss schauen, dass er nach dem ersten Durchgang besser nicht führt. Fünfter wäre für ihn die ideale Konstellation. Bei Stefan Luitz muss man sehen, ob er die Schmerzen an der operierten Narbe rechtzeitig loswird.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.