Was Tommy Haas wirklich liebt

Tommy Haas fühlt sich wohl in New York. So wohl, wie nirgendwo sonst auf der Welt. gut also, dass gerade US Open sind.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Tommy Haas liebt New York und die US Open.
dpa Tommy Haas liebt New York und die US Open.

NEW YORK - Tommy Haas fühlt sich wohl in New York. So wohl, wie nirgendwo sonst auf der Welt. gut also, dass gerade US Open sind.

Nichts gegen die fröhliche Ferienstimmung in Melbournes Sommer. Nichts gegen den Chic und die Eleganz von Paris. Nichts gegen die heilige Tradition von Wimbledon. Aber das schrill-bunte, das verrückte und laute Grand Slam-Spektakel in New York ist immer noch das Turnier, dem die wahre Liebe von Tommy Haas gehört. „Die US Open sind das geilste Turnier der Welt. Das ist meine Heimat als Spieler“, sagt der 31-jährige Tennisveteran Tommy Haas, „hier schlägt mein Herz immer einen Takt schneller.“

Alles, was den Rest der Profikollegen auf die Palme bringt, die grelle Atmosphäre, das Chaos rund um die Courts, die wilden Fans, kommt dem Deutschen nur recht: „Soviel Spaß macht Tennis nur hier.“ Schon zum 13. Mal ist Haas dabei, wenn die Offenen Amerikanischen Meisterschaften ausgespielt werden, bei keinem anderen Turnier ging der deutsche Amerikaner so oft und so gerne an den Start – von jener Saison 1996 an, als er sich mit 18 Jahren durch die Qualifikation schlug, noch mit der U-Bahn-Linie 7 ins Stadion herausfuhr und in der ersten Runde in vier Sätzen gegen Michael Stich verlor. „Es gibt kein anderes Turnier, an dem ich so hänge. Und mit dem ich so viele schöne Erinnerungen verbinde“, sagt Haas, den an diesem Samstag in Runde drei schon eine Herkules-Aufgabe erwartet - gegen den Weltranglisten-Zehnten Fernando Verdasco aus Spanien, den Mini-Nadal mit den neuerdings dicken Muskelpaketen. Ein „harter Brocken“ sei das, so Haas: „Aber ich gehe mit viel Zuversicht in dieses Spiel. Hier muss man mich erst mal schlagen.“

Dort, wo Grand Slam-Tennis einen rauen Charme entfaltet, wo manchmal selbst die Etikette auf der Strecke bleibt, wo die Fans so dicht dran sind am Spiel wie nirgendwo anders, fühlt sich der Altmeister seit jeher in seinem Element. Die US Open sind wie ein Vitaminstoß für Haas, den niemand besonders für die Strapaze motivieren muss: „Auf die US Open freut sich Tommy wie ein Kind“, sagt Trainer Thomas Hogstedt, „das Turnier hat ihm auch schon oft in seiner Karriere geholfen, nicht den Glauben an sich zu verlieren.“ Selbst in dunkelster Verletzungsnot zauberte Haas im „Big Apple“ stets vorzeigbare Resultate auf den Platz.

Auf den drei großen Showcourts badet Haas regelrecht in der aufgeladenen Atmosphäre, in der elektrisierenden Stimmung, die das rüde, unkonventionelle, lautstarke Publikum liefert. Spricht Haas über die ganz besondere Faszination der US Open, fällt ihm sofort der Tiebreak des fünften Satzes ein, eine Eigenheit in der Tenniswelt, etwas, das es bei keinem anderen Grand Slam gibt: „Das ist brutal, Sekt oder Selters eben. Aber großes Drama halt, wie ein Stück aus Hollywood“, sagt er, „dafür liebe ich das Turnier aber.“ Vor drei Jahren gewann er nacheinander Fünf-Satz-Matches gegen Robby Ginepri und Marat Safin in der ultimativen Glückslotterie, „das Gefühl nach solchen Siegen“, so Haas, „ist einfach unbeschreiblich.“ Genau so unvergeßlich selbst für viele Amerikaner war der Triumph von Haas 2007 gegen James Blake – wieder hatte der Deutsche im Tiebreak in Satz 5 kühlen Kopf bewahrt, drei Matchbälle des Publikumslieblings abgewehrt und sich „wie im siebten Himmel gefühlt“, als er die größte Arena der Welt als siegreicher Matador verlassen hatte.

Den allergrößten Wunsch hat sich Haas in New York bisher noch nie erfüllen können – einen Auftritt am magischen „Super Saturday“ oder gar am Finalsonntag. Drei Mal stand er im Viertelfinale, scheiterte dort allein zwei Mal am russischen Tennis-Roboter Nikolai Dawidenko. „Immer lief dann doch irgendwas schief. Zuviel Kraft in frühen Runden verpulvert, ein Black-Out in einem Match“, sagt Haas, „das Problem ist, dass ich mich hier immer unter riesigen Druck setze. Dieses unbedingte Gewinnen-Wollen ist auch gefährlich.“ Er erlebte es auch in der ersten Runde am Montag, als er seine liebe Müh´ und Not mit dem kolumbianischen Qualfikanten Alejandro Falla hatte: „Du denkst nur: Du darfst jetzt hier nicht gleich ausscheiden. Aber das macht es nicht einfacher.“

Gegen den Amerikaner Robert Kendrick löste sich allerdings am Donnerstag die Beklemmung bei Haas, auch weil er auf dem Grandstand ans Werk gehen konnte, einem der drei großen Schauplätze hier in Flushing Meadow. „Da hast du gleich Rückenwind, wirst von der Stimmung beflügelt“, sagt Haas. So bleibt er vorerst weiter drin im großen Spiel, der Mann, der das größte Comeback der Saison schaffte und sich gerade auf den wichtigen Showbühnen in exzellenter Form präsentierte, allem voran in Paris und Wimbledon. Siegt er gegen Verdasco, winkt ihm ein Nachtspiel gegen Amerikas Lokalmatador Andy Roddick am Montag. Aber der reifere, überlegtere und professionellere Haas erlaubt sich keine Fernblicke, er weiss, wie schwer die Aufgabe gegen Linkshänder Verdasco wird: „Da muss ich schon ans Limit gehen.“

Trainer Hogstedt gibt ihm derweil übers Jahr 2009 hinaus beste Chancen, in der Weltspitze eine wichtige Rolle zu spielen: „Er hatte soviele Auszeiten in seiner Karriere. Sein Körper ist wie der eines 25-jährigen“, so Hogstedt, „es ist so ähnlich wie bei Andre Agassi.“ Und der lief bekanntlich erst jenseits der Dreissig zu ganz großer Form auf.

Jörg Allmeroth

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.