Was Skitouren gehen so beliebt macht

Abwärts geht’s von ganz allein... aber raufkommen müssen Skifahrer halt erst mal. Der neue Trend dabei: Auf Lifte verzichten und den Berg mit Tourenski selbst erwandern. Die AZ war unterwegs – und zeigt die wichtigsten Tipps für Touren-Einsteiger
von  Christian Pfaffinger
Normalerweise geht Bergführer Christoph Hummel (links) mit kleinen Gruppen. Für den Alpenverein und dessen Gäste macht er hier eine Ausnahme.
Normalerweise geht Bergführer Christoph Hummel (links) mit kleinen Gruppen. Für den Alpenverein und dessen Gäste macht er hier eine Ausnahme. © Thomas Bucher

München - Reinspüren, das ist es. Aufs Knirschen hören. Erfühlen, wie fest der Schnee unter den Skiern ist. Und sich ein wenig Zeit für das nehmen, was später viel zu schnell vorbeirauscht. Beim Aufstieg aufs Hörnle in den Ammergauer Alpen ist das ein herrlicher Ausblick, neblig zwar, aber weit genug, um sich ein bisserl darin zu verlieren, sobald man einmal seinen Rhythmus gefunden hat. Sch, sch, sch, sch – Stück für Stück die Skier nach vorne schieben, Schritt für Schritt den Berg hinauf. Als Skitourengeher erobert man einen Berg nicht, man freundet sich langsam mit ihm an. Und während man sich so mit dem Hörnle anfreundet, hallt der Spott aus der Runde vom Vorabend nach: „Den Berg hinauf hatschen, wenn es auch einen Lift gibt? Bist deppert?“

Gar nicht. Sondern arg im Trend. Den Berg rauf auf Brettern, das macht man jetzt so. Immer mehr Wintersportler entdecken das Skitouren gehen für sich. Eine halbe Million sind es hierzulande bereits, schätzt der Deutsche Alpenverein (DAV), noch mal so viele in Österreich. Auch die Ausrüster spüren den Boom, die Verkaufszahlen bei Tourenskiern wachsen seit Jahren zweistellig. Und jetzt, da es in den Bergen doch noch einen Schnee hat, klackt sich auch die AZ in die Bindung ein – und lässt sich von einem Profi die wichtigsten Tipps zum Einstieg geben: Christoph Hummel ist Bergführer aus dem südlichen Lechrain und Experte des DAV.

 

Für Einsteiger sind präparierte Pisten optimal

 

„Jetzt stellen wir uns alle im Abstand von zwei Metern zueinander auf“, sagt er. Dann geht er den Kreis ab, bei jedem piepst es zweimal. Christoph Hummel testet, ob die LVS-Geräte funktionieren – kleine Kästchen, die einem im Notfall das Leben retten können.

Das Lawinenverschüttetensuchgerät gehört zusammen mit einer Schaufel und einer Sonde zur Grundausstattung von Tourengehern, die abseits der Pisten im Tiefschnee fahren wollen. Außerdem braucht es schon ein bisserl Vorwissen, über Gefahren wie Lawinen und genaue Planung.

Klingt kompliziert – ist aber lebenswichtig. Allerdings: Für Einsteiger braucht’s das gar nicht unbedingt, denn auf der Piste kann jeder gleich loslegen. Das Skitouren gehen auf Pisten ist ein sehr guter Einstieg: Auf sicherem Terrain kann man sich in Technik und Ausdauer erst einmal ausprobieren, und das ohne viel zusätzliche Ausrüstung.

Das brauchen Einsteiger: Tourenski mit Bindung und passenden Schuhen, Stöcke, Steigfelle und einen Rucksack, in dem auch ein Erste-Hilfe-Set liegen sollte. Das war’s. Gut, dafür muss man im Geschäft bei guter Qualität auch schon mal 1300 Euro hinlegen, leicht auch mehr. Für Einsteiger lohnt sich deshalb eher erst mal eine Ausleihe. Bei der Sektion Oberland des DAV am Isartor kann man sich die komplette Ausrüstung mieten. Für Mitglieder kostet das unter 30 Euro pro Tag, für Nichtmitglieder gut 40 Euro.

Klack, klack – rein mit den Stiefeln in die Bindung und losgehen kann’s. Die Gruppe schlurft den Hang hinauf, begleitet vom sanft wetzenden Klang von Funktionsjacken und kurzlebigen Atemwölkchen.

„Ich würd gleich mal eine Schicht ausziehen“, sagt Bergführer Christoph Hummel zu einigen aus der Gruppe, denen nach einer Viertelstunde der Schweiß auf der Stirn steht. Tatsächlich zieht man sich tendenziell zu viel an. Denn beim Gehen wird einem anständig warm. Gescheit ist, wer sich schichtweise einzwiebelt und im Rucksack genug Platz lässt, um abgelegte Stücke darin zu verstauen.

 

Viel Sport, viel Natur – aber man muss auch aufs Risiko achten

 

Skitouren gehen ist Sport und braucht ein bisserl Ausdauer – ist aber bei leichten Routen auch für Kinder und Ältere bestens machbar. Es ist gesund, man wärmt sich für die Abfahrt auf, hat ein viel intensiveres Naturerlebnis und schont dabei den Geldbeutel und die Berge. Dafür muss man sich aber an ein paar Regeln halten, die der DAV auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Wichtig: niemals gesperrte Pisten betreten. Unfälle mit Schneeraupen und Seilwinden endeten bereits tödlich. Beim Aufstieg immer schauen, was von oben kommt. Und: Grundsätzlich am Rand der Piste gehen – auch wenn man beim DAV schon witzelt, dass bald die Abfahrer am Rand runterrutschen müssten. Wegen der vielen Tourengeher.

Auf dem Mittleren Hörnle ist der Schnee an diesem Tag nicht üppig, aber frisch. Unterhalb des Gipfels liegt er recht unberührt am Hang. Ab in den Pulverschnee, oder? Nicht da, sagt Christoph Hummel. Er misst mit einer Schneekarte des DAV die Hangneigung und kombiniert sie mit den Informationen zur Lawinenlage, die er vorher nachgeschaut hat. „Zu riskant“, sagt er. Dabei schaut der Hang harmlos aus. Aber Hummel sagt: „Man darf nie vergessen, dass eine Lawine an so einem Hang locker reicht, um darin zu sterben.“

Die Gruppe fährt weiter westlich hinab. Durch Neuschnee, durch ein Waldstück, auf die Piste, vorbei an der mittäglichen Einkehr und markanten Wegstellen, die jetzt kaum gesehen vorbeirauschen.

Die verdiente Abfahrt dauert nur wenige Minuten, aber sie fühlt sich schon gut an, so selbsterstiegen.

 

Infos vom Alpenverein: Der Ratgeber für alle Touren

 

Vorschläge für Routen, alle Regeln und Tipps sowie Checklisten für die Ausrüstung bietet der DAV auf mehreren Wegen an. Zum einen auf der Seite alpenvereinaktiv.com, zum anderen in der praktischen App „alpenvereinaktiv“. Mit ihr kann man planen, sich Touren für jeden Typ und überall in den Alpen heraussuchen und erhält zudem aktuelle Informationen zu möglichen Risiken wie der Lawinengefahr. Alle Karten und Infos kann man offline speichern und auf der Piste jederzeit aufrufen. Die App ist kostenlos. Blöd ist bloß, wenn der Akku wegen der Kälte auf einmal leer ist. Dann hilft eine Karte auf Papier. Solche macht der Alpenverein zum Glück ja auch noch.

 

 

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