Was Schumi auslöst und anrichtet

Der 40-Jährige kehrt in die Formel 1 zurück. Dabei geht es nicht nur um seinen Ehrgeiz, zum achten Mal Weltmeister zu werden – sondern um viel Geld. AZ erklärt hier, wer profitiert und wer leidet.
MÜNCHEN Es ist das Sensations-Comeback des Jahrzehnts. Mindestens. Michael Schumacher kommt zurück, um die Formel 1 wieder in alten Glanz erstrahlen lassen, um den Stern aufzupolieren, wie Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug sagte, um die ganze Formel 1 zu retten. Kurzum: Schumachers Rückkehr ist das Beste, was der Formel 1 passieren konnte. Sagen die, die vom Comeback profitieren. Die AZ benennt sie:
Bernie Ecclestone, die Rennstrecken, die Quoten: Der Formel-1-Chefvermarkter (79) reagiert euphorisch auf das Comeback. „Das ist fantastisch, ich erwarte und freue mich auf eine atemberaubende Saison.“ Die Organisatoren des Rennens am Hockenheimring verzeichneten bereits am 23. Dezember einen sprunghaften Anstieg im Vorverkauf. Auch die TV-Anstalten dürften profitieren. Weniger als 5,3 Millionen Zuschauer schalteten 2009 bei den Rennen ein (2006 noch sieben Millionen). Nun könnte es bei den wichtigsten Rennen zweistellig werden. „Schumachers Rückkehr ist eine Therapie für die krisengeschüttelte Formel 1“, sagt der dreimalige Weltmeister Niki Lauda.
Mercedes und Norbert Haug: Seit 15 Jahren versucht Mercedes-Sportchef Haug nun schon, seinen Freund Schumacher zu locken. Erst der vierte Versuch war erfolgreich. Dank Schumachers „Elefantenhirn“, wie Manager Willi Weber sagte. Schumacher hätte nie vergessen, dass er bei Mercedes das Rennfahren erlernt hatte. Haug glaubt, dass Schumachers Rückkehr sogar den Autoverkauf ankurbeln könnte: „Das ganze Thema wird sehr viele Autos verkaufen.“ Geschätzte sieben Millionen Euro pro Jahr soll Schumacher verdienen – in der Branche ein Spottpreis. Allein die TV-Sendungen am 22. und 23. Dezember, in denen Mercedes und Schumacher genannt wurden, hätten zusammen genommen 90 Millionen Zuschauer gehabt. Haug: „Das ist einmalig in der Geschichte des Sports und wird vielleicht erst dann überboten werden, wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nächstes Jahr in Südafrika Weltmeister werden sollte.“
Willi Weber: Schumachers Manager wird nächstes Jahr gleich zwei Fahrer betreuen, sein Zögling Nico Hülkenberg wird bei Williams sein Debüt feiern. Zwei Fahrer bedeuten auch doppelte Gewinne für Weber. Geschätzte 20 Prozent der Einnahmen vom Fanartikelverkauf fließen direkt in seine Taschen.
Fans: Schumacher will nicht nur mitfahren, sondern zum achten Mal Weltmeister werden. Anders als vor seinem Rücktritt ist die Konkurrenz jetzt groß: Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Jenson Button, Fernando Alonso, Felipe Massa und auch Schumis Teamkollege Nico Rosberg wollen ihm das Leben schwer machen. Die Titelkämpfe dürften eng werden. „Das wird keine leichte Aufgabe. Da muss man sich schon mächtig anstrengen“, glaubt Schumi. Das Publikum darf gespannt sein – wie lange nicht.
Wer leidet unter Schumachers Rückkehr?
Nicht alle sind glücklich mir der Rückkehr. Ehefrau Corinna sagt, das Familienleben werde dadurch auf den Kopf gestellt. Bei Mercedes meutert der Betriebsrat. Die AZ erklärt hier, wer leidet.
Der alten Liebe bleibt nur ein Brief.
„Ich werde Ferrari immer in meinem Herzen tragen, auch wenn wir von jetzt an Rivalen sein werden. Wir werden auch in Zukunft Freunde bleiben. Ich werde an die Wärme, Kraft und Hingabe zurückdenken, die ich in so vielen Jahren von den Tifosi erhalten habe.“ Das schrieb Michel Schumacher den Ferrari-Tifosi in einem offenen Brief. Doch so einfach wird er den Ferraristi nicht davon kommen. Italien trägt Trauer seit Schumachers angekündigtem Wechsel zu Mercedes. Trauer, dieauch in Ärger umschlagen kann. „Eiszeit in Maranello. Ein in Comeback, das stinkt“, schrieb der „Messaggero.“
Es gibt noch mehr Menschen, die sich dieses Schumi-Comeback wohl eher nicht gewünscht haben.
Corinna und die Familie: Klar, ohne die Zustimmung seiner Frau wäre Schumacher nicht zurückgekommen. „Er weiß genau, was er macht, und er weiß, dass ich immer hinter ihm stehe“, wird Corinna auf Schumachers Website zitiert. Und doch gesteht die FahrerGattin dort auch: „Unser Familienleben wird zugegebenermaßen sehr unerwartet auf den Kopf gestellt.“ Aus dem Familienvater, der seine Kinder von der Schule abholt und der ganzen Familie Spaghetti kocht, wird wieder ein rastloser Rasender.
Nick Heidfeld: „Meine Zukunftsplanung und mein Ziel sind es, wieder gemeinsam mit Mercedes Erfolge einfahren zu können.“ Das sagte Heidfeld anderthalb Wochen vor der Bekanntgabe des Schumacher-Comebacks. Nun steht er ohne Rennstall da. Das Cockpit bekommt Schumacher.
Mercedes: Intern gibt es Ärger. Der Betriebsrat kritisiert die Verpflichtung Schumachers. „Das ist den Leuten schwer zu vermitteln“, sagte der Bremer Mercedes-Betriebsratschef Uwe Werner. Daimler hätte der Belegschaft einen harten Sparkurs verordnet und die Produktion teilweise ins Ausland verlegt.
Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer glaubt nicht, dass der Konzern wegen Schumacher mehr Autos verkauft: „Warum sollte der Mercedes-Fahrer sich ausgerechnet wegen der Formel 1 für den Kauf eines Mercedes entscheiden?“ Letztlich müssten die Autofahrer die Kosten für die Formel 1 bezahlen: „Jedes Fahrzeug muss um 200 bis 300 Euro teurer verkauft werden, um die Formel 1 für Mercedes zu finanzieren.“
Sebastian Vettel: Der 22-Jährige ist mit Schumacher befreundet. Und doch könnte die Rückkehr des bald 41-Jährigen seine Karriere ins Stocken geraten lassen. Vettel will 2010 Weltmeister werden, also muss er nun auch Schumacher schlagen. Und der hat schon oft genug gezeigt, dass er auf der Rennstrecke kein Pardon kennt – und hin und wieder auch zu nicht ganz fairen Mitteln greift. Daran können Freundschaften auch zerbrechen.
Ex-Weltmeister Damon Hill argwöhnt in der „BamS“ bereits: „Es gab immer den Verdacht, dass Schumacher von FIA-Seite eine Sonderbehandlung bekam. Viele Leute werden die Formel 1 nächstes Jahr unter diesem Gesichtspunkt verfolgen.“
F. Cataldo