„Was für ein cooler Sport“
Trotz der Krise bei den deutschen Männern, trotz der geringen TV-Präsenz, trotz der hohen Kosten: Wolfgang Maier, der Alpin-Chef des Deutschen Skiverbandes, erklärt, warum Skifahren toll ist.
Von Florian Kinast
AZ: Herr Maier, seien Sie froh! Zumindest Ihre Frauen kann man daheim in Deutschland sehen, das Fernsehen überträgt am Samstag doch noch das Damenrennen aus Sölden live.
WOLFGANG MAIER: Ich bin auch froh. Sölden ist doch ein Highlight, ein Klassiker. An dem darfst du gar nicht vorbei. Da hast du an die 25000 Zuschauer oben am Gletscher, da können die Maria Riesch und die anderen Mädels zeigen, was für ein cooler Sport wir sind.
Felix Neureuther kann das nicht zeigen. Der einzige deutsche Läufer am Sonntag. Beim Riesenslalom der Männer bleibt der Bildschirm schwarz.
Bei den Slaloms ist das hoffentlich anders. Da wird der Felix vorne dabei sein. Ich hoffe, dass er es jetzt geschafft hat, seinen jugendlichen Leichtsinn in den Griff zu kriegen. Da hat er in der Vergangenheit zu viele Podiumsplätze leichtfertig weggeschmissen. Sonst haben wir bei den Herren freilich noch eine Baustelle.
Weil nach dem Neureuther lange nichts kommt.
Das kann in der kurzen Zeit auch kein Mensch der Welt beheben. Eine Mannschaft bei den Herren wie bei den Damen in Quantität und Qualität, das können wir uns abschminken. Auch wenn man hergeht und sagt: „Okay, jetzt schmeißen wir den Maier raus“, braucht der andere genauso viel Zeit, dass die Dinge im System so greifen, dass wir international leistungsfähig sind. Da tun wir uns schwer. Wir haben einige Hoffnungen, einen Andreas Sander als Junioren-Weltmeister, gut. Aber wir sind weit weg davon zu sagen: „Jetzt hammas gschafft.“ Es geht erst richtig los.
Wie soll das gehen, wenn Sie nach dem Debakel um den neuen TV-Vertrag von 2007 jetzt so viel sparen müssen?
Unser Etat ist runter von 4,9 auf 4,0 Millionen, das stimmt. Wir mussten zwei Nachwuchsteams auflösen und elf Trainer entlassen. Das heißt aber nicht, dass wir keinen guten Sport mehr machen können. Im Gegenteil. Vielleicht kann das System so gesunden. Wir sind ein Leistungssport, da sollte man nur was bekommen, wenn man etwas bringt. Warum sollte man als Hundertster gefördert werden?
Bisher war es aber so.
Natürlich. Weil es ganz easy war, hier und da was zuzuschießen. Es ging zu leicht. Jetzt müssen sich die Leute daran gewöhnen, dass die Zeiten anders sind. Wir können dadurch jetzt eine ganz neue Generation heranziehen. Wer jetzt in den Genuss der Förderung kommen will, muss von Haus aus intensiver trainieren. Ist doch nicht schlecht. Ich will auch keinen mehr mitschleppen. Ich will Läufer mit Herzblut. Ohne Herzblut können sie daheim bleiben.
Hat der Nachwuchs Herzblut? Ist ja viel zu hören von der verwöhnten Jugend.
Manche haben es, natürlich. Das sieht man daran, ob einer freiwillig um sechs Uhr in der Früh aufsteht, um vor der Schule noch eine Trainingseinheit zu absolvieren. Die Jungs und Mädels müssen den absoluten Willen haben, ganz nach vorne zu kommen. Ich vergleiche die Situation bei den Alpinen immer mit einem kranken Kind. Da gibt es auch zwei Philosophien. Bisher war es so, dass man versucht hat, das kranke Kind besonders zu pflegen, und es immer wieder gestützt hat. Jetzt muss sich das kranke Kind alleine bewegen, damit es wieder gesund wird.
Die bisherige Pflege sorgte bei den andern Sparten im DSV für Neid. Es hieß, die Alpinen würden zu viel Geld bekommen für zu wenig Leistung.
Das haben bestimmte Funktionäre gesagt, bestimmte Landesverbandspräsidenten auf Sitzungen, wo sie mit völliger Inkompetenz geglänzt haben. Die können das gar nicht beurteilen, und so drastisch wie wir runtergeschraubt haben, hat sonst keiner runtergeschraubt. Ski Alpin ist nun einfach mal ein elitärer Sport.
Und warum?
Das geht bei der Ausstattung los. Der Langläufer braucht ein paar Ski und einen Anzug – und aus. Der Alpine braucht Slalomski, Rennski, doppelte Anzuggarnituren. Und noch was zu den Finanzen...
Bitte.
Die Nordischen haben auch Jahrzehnte nix zammgebracht, haben gesogen aus dem Windschatten der Alpinen. Jetzt ist es umgekehrt, und da tun sich die, die früher nicht dabei waren, schwer, zu akzeptieren, dass der eine dem anderen mal aushilft. Darum habe ich mich geärgert, dass Funktionäre solche Dinge in die Öffentlichkeit tragen, das fand ich einfach daneben. Aber ist nicht mehr so wild. Die Zeit heilt die Wunden.
Und Heilung gibt es vielleicht auch für das kranke Kind Alpin-Ski. Wir wünschen jedenfalls gute Besserung.
So krank sind wir nicht mehr. Zumindest können wir auf einem Fuß wieder hupfen.