Was bleibt vom Gold?

Sven Müller von der Agentur „People Brand Management" vermarktet u.a. Kevin Kuranyi, Felix Neureuther, Kai Wiesinger und José Carreras. Hier schreibt er, welcher Gold-Olympionike das Zeug zum Superstar hat.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Olympiasieger Hinrich Romeike auf seinem Wallach Marius.
dpa Olympiasieger Hinrich Romeike auf seinem Wallach Marius.

Sven Müller von der Agentur „People Brand Management" vermarktet u.a. Kevin Kuranyi, Felix Neureuther, Kai Wiesinger und José Carreras. Hier schreibt er, welcher Gold-Olympionike das Zeug zum Superstar hat.

BRITTA STEFFEN (24)

Freistil (50 & 100 Meter): Die deutsche Gewinnerin bei Olympia schlechthin. Außergewöhnliches Talent plus sympathisch und authentisch. Eigentlich die perfekte Mischung. Und: Ihre Feier, ihre Gefühlsausbrüche danach waren ungewollt perfekt inszeniert. Die Tränen, als sie van Almsick um den Hals fiel und völlig aufgelöst war – das war dramatisch und emotional wie wenig sonst in Peking. Aber: Britta ist nicht automatisch die neue Franzi. Sie muss zeigen, ob diese sympathische Schwimmerin der Sympathieträger eines ganzen Landes sein kann und sein will. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie Everybody's Darling überhaupt sein will? Sie hat ja schon vom Rücktritt gesprochen... Wenn sie mit dem Druck nicht umgehen kann, dann wird es nicht funktionieren. Jetzt kann sie den Angeboten aber gar nicht aus dem Weg gehen. Sie passt in fast alle Bereiche hinein ob Telekommunikation, Automobil, Getränke oder Süßigkeiten. Sie hat die breite Palette zur Auswahl und kann, ganz plastisch gesprochen, ihr Gold in bares Geld ummünzen.

BRITTA HEIDEMANN (25)

Degenfechterin: Eine Figur, die mich interessieren würde. Die schöne Deutsche von Peking. Eloquent, witzig, toller Look. Sie ist einer der großen Gewinner dieser Spiele. Sie hat gewaltiges PR-Potenzial, da spielt natürlich auch ihr Aussehen eine Rolle. Und sie ist glaubwürdig in ihrem Sport, weil sie Spaß daran hat, den Leuten ihre Kunst zu zeigen. Fechten bedeutet Dynamik und Taktik, da könnte ich mir sehr gut eine Anzeige für einen Finanzdienstleister vorstellen. Und mit ihrem Look passt natürlich alles im Bereich Beauty und Mode. Sie hat Peking perfekt genutzt.

BENJAMIN KLEIBRINK (23)

Degenfechter: Er gilt als Introvertiert und natürlich ist es sein Pech, dass er Gold am selben Tag gewannen wie Britta, die schöne Deutsche, die dann auch noch witziger, dominanter rüber kommt. Der sportliche Erfolg ist bei ihm nur eine Seite der Medaille, er braucht jetzt ein Management, das diesen Funken zu einem schönen Feuer macht. Ich bin eher skeptisch.

JAN FRODENO (27)

Triathlon: „Frodo“ kenne ich gut, ein wirklich sympathischer Typ. Aber reicht das? Sympathisch sind viele, und er hat auch starke Konkurrenz aus dem Ironman-Bereich, die sich ja selbst die härtesten Männer der Welt nennen. Der olympische Triathlon hat nicht diese mythische Abstrahlungskraft. Aber wir werden vom ihm wieder hören. Triathlon steht für Kraft, Wille, Ausdauer, das sind Werte die Unternehmern gut gefallen, etwa Finanzdienstleister oder Beratungsfirmen.

ALEXANDER GRIMM (21)

Kajak: Kann sich noch einer ernsthaft an ihn erinnern? Er ist ein klassisches Beispiel dafür, dass einer absolute Höchstleistung gebracht, aber die Leute nicht erreicht hat. Er müsste sein Persönlichkeitsprofil in einer Weise schärfen, wie ich das nicht sehen kann. Oft gilt eine attraktive Verliererin mehr als ein nichtssagender Gewinner. Sorry, aber das wird nicht reichen.

OLE BISCHOFF (29)

Judo: Hat das gleiche Problem wie Grimm. Das Profil ist nicht erkennbar. Die Sportart dominiert den Sportler. Ich erwarte, dass auch Gold seinen Bekanntheitsgrad nicht vergrößern wird. Je unregelmäßiger eine Sportart öffentlich stattfindet, desto klarer muss das Profil des Sportlers sein. Ich glaube zwar, dass jede Persönlichkeit vermarktbar ist, auch regional, aber die Frage ist doch: Wie langfristig?

HINRICH ROMEIKE (45)

Vielseitigkeitsreiter: Romeike ist schwierig. Der Reitsport ist einerseits klasse, weil es in der Öffentlichkeit und bei Unternehmen als Premium-Marke im Sport wahrgenommen wird. Die Vielseitigkeit ist aber lange nicht so premium wie Dressur oder Springreiten. Als Faustregel gilt: Sein Doppel-Gold bietet das Scheinwerferlicht. Aber: Aus Vermarktungssicht ist nur der Olympiasieg nichts wert. Romeike muss auf einer anderen Bühne reüssieren. Er muss Sympathien herstellen und Interesse wecken.

NADINE CAPELLMANN (43)

Dressur-Equipe: Wie gesagt: Beim Reitsport sind große Potenziale gegeben. Weil es große Highlights und Plattformen für Sportler und Unternehmen gibt. Etwa die CHIO's oder die traditionellen Derbys. Reiten steht für Premium und Exklusivität und deshalb haben Reiter ein höheres Vermarktungspotenzial als andere Randsportarten. Nadine Capellmann ist mein Geheimtipp: sehr attraktive Ausstrahlung, ihr „Look & Feel" stimmt perfekt. Dafür spricht ja auch ihre Partnerschaft mit Rolex.

MATTHIAS STEINER (25)

Gewichtheber: Der stärkste Mann der Welt. Eines der Gesichter von Olympia, die hängen bleiben werden. Er hat durch seine Gegensätze ein tolles Profil gewonnen: Die private Tragik mit dem Tod seiner Frau und der große sportliche Erfolg. Steiner hat die Menschen am stärksten berührt. Noch dazu ist er mit 140 Kilo Lebendgewicht sehr markant, den verwechselt man nicht. Ich bin mir sicher, dass man von ihm wieder hören wird. Gewichtheben hat in Deutschland nur ein Schattendasein. Aber warum soll er nicht auch für Gerolsteiner werben.

FANNY FISCHER (21)

Vierer-Kajak: Natürlich ist es ein Vorteil, wenn du, so wie Fanny Fischer, ein Hingucker bist und die Leute dir gerne zuschauen, bei dem was du tust. Aber nur die Tatsache, dass Birgit Fischer ihre Tante ist, hilft ihr nicht weiter. Selbst die ist, obwohl eine der erfolgreichsten Olympionikinnen aller Zeiten, in der Öffentlichkeit nur eine Randnotiz. Fanny sollte ihr Glück in die eigenen Händen nehmen, ein großes Vermarktungs-Potenzial hat sie dennoch nicht.

ANDREAS IHLE (29)

& MARTIN HOLLSTEIN (21)

Kajak Zweier: Noch zwei tolle Athleten aus der großen Riege der Kanu- und Kajak-Sportler. Aber auch die beiden haben das Problem, dass sie durch ihre Sportart deutlich limitierter sind als eine Britta Steffen zum Beispiel. Aber: Wenn die zwei echte Kerle, klasse Typen sind, dann haben auch sie – ähnlich wie Britta Heidemann im Fechten – die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit herauszustellen. Und die ist es dann, die die Vermarktung in Gang bringt. Faustregel: Olympiagold haben viele, aber die Persönlichkeit schlägt alles.

LENA SCHÖNEBORN (21)

Moderner Fünfkampf: So vielseitig ihre Talente auch sind, so mangelhaft sind doch Perspektiven als Testimonial. Bis Olympia war Lena völlig unbekannt. Jetzt kennen wir ihren Namen, aber schon nächste Woche haben wir vergessen, wie sie aussieht und welchen Sport sie betreibt. Das meine ich nicht böse – so sind die Rahmenbedingungen. Sie wird große Schwierigkeiten haben, jemanden zu finden, der ein Produkt bewerben will, mit einem Star, den niemand erkennt. Soviel Geduld und Geld wird in der Werbung heute nicht mehr aufgebracht. Sorry!

Aufgezeichnet von

Thilo Komma-Pöllath

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.