Warten auf Herrn Riesch

„Ich leg mich wieder ins Bett!“ Warum die deutschen Ski-Frauen um die Weltmeisterin in etwa zehnmal erfolgreicher sind als die Männer.
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Maria Riesch als Weltmeisterin. Dass ein deutscher Mann Ski-Gold geholt hat, ist 15 Jahre her.
GES/Augenklick Maria Riesch als Weltmeisterin. Dass ein deutscher Mann Ski-Gold geholt hat, ist 15 Jahre her.

„Ich leg mich wieder ins Bett!“ Warum die deutschen Ski-Frauen um die Weltmeisterin in etwa zehnmal erfolgreicher sind als die Männer.

GARMISCH-PARTENKIRCHEN Anderl Strodl war der Letzte. Bis vier Uhr in der Früh hielt er aus, das Urgestein vom SC Partenkirchen. Gefeiert hatte auch er das WM-Gold seiner Klubkameradin Maria Riesch. Eine Goldmedaille seiner beiden Buben Peter und Anderl junior zu bejubeln, das wird der Strodl-Vater sicher nicht mehr erleben. Weil seine Kinder Männer sind. Und die haben keine Riesch.

Natürlich holten zwei Frauen die einzigen WM-Medaillen für den DSV in Val d’Isère. Kathi Hölzl im Riesenslalom. Riesch im Slalom. Bei den Alpinen ist es längst nicht mehr der kleine Unterschied zwischen den Geschlechtern, das Frau-Mann-Gefälle wirkt steiler als die Mausefalle auf der Streif.

Bei Großveranstaltungen (Olympia und WM) seit 1991 holten die DSV-Frauen 24 Medaillen, die Männer ganze drei: Das olympische Doppel-Gold von Markus Wasmeier 1994, Flori Eckerts Abfahrtsbronze bei der WM 2001. Und in der aktuellen Nationenwertung im Weltcup haben die Frauen mit 1615 Punkten fast zehnmal so viele Punkte wie die Männer mit 168 Zählern. Zum Vergleich: Marco Büchel hat in diesem Winter 220 Punkte gesammelt. Ein einziger Liechtensteiner, besser als alle Deutschen zusammen. Und es ist nicht abzusehen, dass die Krise bald endet. Eine hausgemachte Krise.

„Das Problem war, dass bei den Männern jahrelang keine gescheite Linie drin war“, sagt Alpinchef Wolfgang Maier zur AZ. Von 1993 bis 2006 trainierte er die Frauen, dann wurde er Sportdirektor. „Als ich da den Zustand der Männer gesehen habe, war ich richtig geschockt“, sagt er. „Das Problem war, dass jeder, der daherkam, gemeint hat, er sei der Retter des Sports.“ Den Namen Werner Margreiter nannte Maier dabei nicht, den des Österreichers, der 2003 kam und 2007 von Maier wieder zurückgeschickt wurde, weil die Misere der DSV-Männer nicht besser wurde.

Aber schuld war nicht der Cheftrainer allein. Maier: „Durch die ganzen Kader hindurch gab es verschiedene Ansichten. Es fehlte die klare Linie von oben bis unten.“ Und es fehlte auch Professionalität. „Wenn ich einem gesagt habe: ,Komm, geh trainieren’“, erzählt Maier, „dann hat der doch nur gemeint: ,Du kannst mich gern haben, ich leg mich wieder ins Bett.’ Da fehlte jedes Verständnis von Leistungssport.“ Weshalb die Zeiten vorbei sind, in denen sie mitgezogen und finanziert werden, jetzt müssen Läufer wie Stephan Keppler ihr Training, die Fahrtkosten und Liftkarten vor der Saison selbst bezahlen. Und bei der Einstellung passte auch die Sache mit Peter Strodl ganz gut.

Der 26-Jährige hatte die WM-Norm (einmal mindestens Platz 8 oder zweimal 15 im Weltcup) klar verfehlt, bestes Ergebnis war Platz 21 beim Super-G von Beaver Creek. Trotzdem nahm ihn Maier mit, gegen viele Widerstände im Verband. „Ich wollte ihm die Chance geben, dass er auch mal zu einer WM darf.“ Doch vor der Abfahrt reiste Strodl aus Val d’Isère ab. Einfach so. „Ich kann mein Leistungsoptimum nicht abrufen“, sagte er. Für Maier eine gewaltige Enttäuschung. „Da hatte ich ein Problem damit“, sagt er. „Ich hatte mich eingesetzt, ihm die Hand ausgestreckt, und er gibt mir eine Watschn. Ob ich so was nochmal mache, weiß ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass jetzt bald eine neue Generation ist, die anders ist. Dann hat sich das eh erledigt.“

Wie lange es dauert, bis außer Einzelkämpfer Felix Neureuther mehr Fahrer in der Weltspitze sind? „Vielleicht fünf Jahre“, sagt Maier. Genau sagen kann er es auch nicht.

Beim Riesch-Empfang in Garmisch, wo der Vater so lang aushielt, war übrigens auch Bruder Anderl dabei. Er hatte sich beim WM-Super-G verletzt. Der Peter fehlte. Immerhin wollte er sich nicht auch noch feiern lassen.

Florian Kinast

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