Warnung vor dem Lotterieschläger

MANNHEIM - Box-Legende Lennox Lewis, 2001 von Hasim Rahman ausgeknockt, sorgt sich vor dem Fight am Samstag in Mannheim um Champion Wladimir Klitschko.
Wer könnte berufener sein für eine Prognose zum WM-Kampf am Samstag (RTL live ab 22.15 Uhr) in der Mannheimer SAP-Arena als Lennox Lewis? Am Freitag besuchte die britische Box-Legende Wladimir Klitschko (32) und Hasim Rahman (36) in deren Hotels. Anschließend sagte der Ex-Champion in der Lobby des Mannheimer Hofs: „Rahman war zuletzt ein bisschen weg vom Fenster, aber nachdem ich ihn gesehen habe, macht er auf mich den Eindruck, gut in Form zu sein. Ob das gegen Wladimir reichen wird? Wir werden es im Ring feststellen. Für Rahman wird es eine Schlacht."
Eine Schlacht, in die der elf Zentimeter kleinere Herausforderer mit 115 Kilogramm Kampfgewicht zieht. Damit ist der US-Amerikaner vier Kilo schwerer als der Zwei-Meter-Riese aus der Ukraine.
Tatsächlich haben sich die Klitschko-Brüder des Erbes von Lewis (43) bemächtigt. Den Weg des jüngeren Wladimir verfolgt der Brite aus der Karibik seit seinem Rücktritt vor sechs Jahren als Fachkommentator des amerikanischen Bezahlsenders HBO. Sein Urteil: „Wladimir folgt großen Fußspuren – meinen!"
Und so warnt der Brite seinen Nachfolger vor Rahman. Denn – neben Oliver McCall – ist der einer von zwei Fightern, die Lewis’ Nimbus mit einem K.o.-Schlag zerstörten. Am 22. April 2001 hatte Rahman die Schwergewichtsszene durcheinander gewirbelt. Der krasse 1:20-Außenseiter schlug mit einem rechten Schwinger den überheblichen Champion in Südafrika in Runde fünf k.o. – und Lewis sagt bis heute: „Rahman ist ein Lotterieschläger.“ Dies weiß auch Klitschkos Trainer Emanuel Steward. Der 64-Jährige war damals Lewis’ Coach. „Ich stand in der Ecke, als Rahman meinen Fighter mit einem Schlag umhaute. Rahman ist der explosivste ,One-Punch-Fighter’ in Wladimirs Karriere."
Wie wahr. Die mächtigsten Fernsehsender und Promoter buhlten um den ungebundenen Sensationssieger mit zweistelligen Millionensummen. Ein Traum wurde wahr für einen Gelegenheitsboxer, der vor seinem Sensationssieg mit dem Versand von Häftlingskleidung und als Kindergärtner die Familie ernährte. Über zehn Millionen brutto betrug seine Börse beim Revanchekampf gegen Lewis. Reichlich Schmerzensgeld. Am 17. November 2001 ging Rahman in Las Vegas nach einem rechten Hammerschlag an den Kopf in der vierten Runde schwer k.o.
Aber Hasim Rahman ist ein Stehaufmann. Nicht nur im Ring, auch im Leben. so hat er sogar fünf Pistolenschüsse, Kaliber 38, überlebt. Als er neunzehn Jahre alt war, trafen ihn im Drogenkrieg der Straßengangs in Baltimore zwei von fünf Geschossen. Eine Kugel durchschlug seine linke Hand. „Mit der kann ich dennoch hart zuschlagen", sagt er und ballt die Faust. Eine zweites Geschoss bohrte sich in den Rücken. „Die Kugel traf meine Wirbelsäule. Warum ich nicht gelähmt bin? Die Kugel blieb stecken. Ich habe immer gespürt, dass Allah etwas mit mir vorhatte. Ich wusste nicht, dass es Boxen sein würde", erzählt der Muslim.
2005 wurde Rahman zum zweiten Mal Weltmeister. Er gewann den WBC-Interimstitel gegen Monte Barrett. Warum? Vitali, der ältere Klitschko, hatte seine Pflichtverteidigung viermal wegen Verletzung abgesagt. Als der Ukrainer seinen Rücktritt erklärte, wurde Rahman zum WBC-Champion proklamiert. Den Titel verlor „The Rock“, so sein Kampfname, am 12. August 2007 durch K.o. in Runde zwölf gegen Oleg Maskajew. Nun will er ihn zurück. Von Klitschko, dem jüngeren. Hartmut Scherzer