Wann fliegt "Problembär Bruno"?
Der Ausgang des Pokalfinals spaltet die Gefühlswelt der beiden Teilnehmer. Während beim Sieger Werder Riesenerleichterung über eine gerettete Saison herrscht, steht bei den unterlegenen Leverkusenern Trainer Bruno Labbadia vor dem Abgang.
Als Thomas Schaaf und Klaus Allofs nach dem 1:0-Sieg im DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion aus der Kabine kamen, sahen sie aus wie begossene Pudel. Aber sie lächelten. Beide kamen sie in zerknitterten Trainingsklamotten und Badelatschen an. Ihre Anzüge waren nicht mehr zu gebrauchen. Bierduschen hatte es noch auf dem Feld gegeben. Sie waren der Auftakt zu einer langen Bremer Nacht im Hotel "Maritim". Schon auf dem Rasen führten sich "Diego und Co" wie kleine Kinder auf. Die Pokalsieger 2009 tanzten vor 74244 Zuschauern ausgelassen und hörten damit den Rest der Nacht nicht mehr auf.
Allofs und Schaaf lagen sich in den Armen. "Ich in schon froh, dass wir gewonnen haben. Wenn du ein Finale verloren hast und dann ein zweites verlierst, hätte das schon einen faden Beigeschmack. Ich hatte kurz Angst, wir machen heute wieder kein gutes Spiel", sagte der frisch geduschte Allofs und lächelte. Trainer Schaaf stand ein paar Meter weiter und wollte mit dem Interview mit "Werder TV" gar nicht mehr aufhören. "Man hat gesehen, dass wir den Pokal wirklich haben wollten. Besonders froh bin ich für Mesut Özil, der eine sehr große Entwicklung genommen hat. Ich bin froh, dass er heute das entscheidende Tor geschossen hat, nachdem es im Uefa-Cup nicht so gut lief", sagte Schaaf.
Triumph und schmerzliche Abschiede
Die Nacht des Triumphes aber auch die Nacht des Abschiedes. Kapitän Frank Baumann ging unter frenetischem Jubel früher vom Feld und reckte gegen 22.12 Uhr den Pokal mit einem lauten Schrei in die Höhe. "Mit einem solchen Spiel aufzuhören ist etwas besonderes, es hat was", sagte Baumann, der seine Karriere beendet, während der große Regisseur Diego nach Italien geht. Anrührende Szenen spielten sich vor dem Spiel ab. Werders Fans feierten den Brasilianer Diego minutenlang mit Gesängen. Werders Spielmacher wechselt zur kommenden Saison für 24,5 Millionen Euro zu Juventus Turin. Als der kleine Regisseur zum Anpfiff auftauchte, sagen sie wieder "di di di Diego" und der drehte sich vor dem Anpfiff als einziger der 22 Spieler um und verneigte sich vor den grün-weißen Fans.
Es war auch der Versuch, bei einem, der nach fünf Jahren Bremen kaum Deutsch kann, noch einmal die Motivation für seinen "alten" Verein zu wecken. Das Finale von Berlin war nicht nur Diegos Abschiedsspiel, es war auch sein einziges Finale in dieser Saison mit den Bremern. Beim Uefa-Cup-Finale gegen Donezk in Istanbul hatte Diego wegen einer Gelbsperre zuschauen müssen und Werder verlor mit 1:2.
Trennung von Labbadia steht bevor
So ausgelassen bei Werder gefeiert wurde, so betrübt war die Stimmung bei den Verlierern aus Leverkusen.Auf den Gängen der schicken Event-Location im Bezirk Prenzlauer Berg gab es nur ein Thema: Die baldige Trennung von Trainer Bruno Labbadia. Die wird wohl am Dienstag erfolgen. Dann wird in Leverkusen Klartext geredet. "Sehr direkt" und über das, "was sich bei einigen Beteiligten im Verein aufgestaut hat. Am Dienstag kommt alles auf den Tisch", sagte Sportdirektor Rudi Völler.
Als Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser im Stadtbad bei hipper Musik, Lachs auf Spargelrisotto, Tandoori-Chicken mit Wokgemüse und Ravioli im Salbaimantel seine Rede beendete, wollte er dies nicht ohne aufmunternde Sätze tun. "Eines Tages, das verspreche ich euch, werden wir einen Titel holen", sagte Holzhäuser. Der Beifall hielt sich in Grenzen, zu tief saß die Enttäuschung. In jeder Ecke wurde weit nach Mitternacht über Labbadia diskutiert. Viele waren überzeugt, der Cheftrainer habe dies aufrührerische Interview in der "Süddeutschen Zeitung", selbst in Auftrag gegeben. Wie man hört at sich Labbadia nicht sonderlich gewehrt, die Breitseite anklagender Worte noch unbedingt vor dem Finale loszuwerden.
"Ein Weiter-so kann es nicht geben"
"Sicher ist, es müssen sich einige Voraussetzungen ändern. Ein Weiter-so kann es ja für beide Seiten nicht geben". Und über Manager Michael Renschke sagte er: "Fakt ist, dass wir eigentlich von Anfang an keine gemeinsame Arbeitsebene fanden". Labbadia klagte über eine "Kampagne" gegen ihn, über Spieler, die sich über ihn und sein zu hartes Training bei Kluboberen beschweren, aber eigentlich endlich aus der "Komfortzone" geführt werden müssten,um einen Schritt vorwärts zu kommen. Die Sache kam, vor allem, weil am Spieltag selbst erschienen, nicht gut an und mancher war sich in der Nacht der Niederlage sicher, Labbadia habe mit dem Hamburger SV bereits einen neuen Verein an der Hand. Konkreten Nachfragen wich Labbadia am Samstag aus. Es sei jetzt nach dem Spiel nicht die Zeit, darüber zu reden. Rudi Völler meinte: "Es geht auf alle Fälle weiter bei Bayer Leverkusen. Ich denke, dass er der richtige Trainer ist, wir hoffen, es geht weiter mit Bruno". Den nennt das Boulevardblatt "Express" längst "Bruno den Problembär".
Die Bilanz liest sich tatsächlich nicht berauschend. Platz neun, das zweite Mal in Folge einen internationalen Platz verpasst und nun das Pokalfinale verloren. Nach dem Spiel mussten sich zu interviewende Leverkusener sogar von den TV-Reportern Sticheleien gefallen lassen, die nach "Bayer Vizekusen" fragten, weil Bayer so oft nur Zweiter wurde und der große Wurf kaum einmal gelingen will. Wie verloren stand Labbadia auf dem Rasen des Olympiastadions und suchte nicht gerade Augenkontakt zu seinen Spielern. Nicht weit, aber sichtbar weit weg, stand der Cheftrainer, die Hände in den Jackettaschen oder vor der Brust verschränkt und schaute dem Treiben zu. Er ging als Letzter zur "Siegerehrung" und ließ sich die Medaille umhängen. Die Kluft zwischen Team und Chef war nicht zu übersehen.
Labbadia bringt Offensivkräfte zu spät
"Es war ruhig in der Kabine", berichtete Nationalspieler Simon Rolfes. "Das war zu wenig und es macht die neue Saison auch nicht leichter", sagte er. Was bedeuten könnte, mit der Last der Gegenwart gibt es keine Zukunft. Und: Es muss etwas passieren in Leverkusen. "Wir haben nicht genug Druck entwickelt, selbst nach dem 0:1 nicht", sagte Rolfes. Man hätte durchaus früher mehr Risiko gehen können. Damit meinte er die späten Wechsel, die Labbadia vornahm als er Stürmer Angelos Charisteas und Mittelefeldmann Toni Kroos erst fünf Minuten vor Schluss brachte als die Bremer längst in Feierlaune waren.
"Ein Titel hätte dieser jungen Mannschaft, die geführt werden muss, so gut getan", sagte Labbadia und wirkte matt. "Die Enttäuschung ist sehr groß". Wenn es nicht ganz verloren gegangen ist, so hat das Vertrauen beider Seiten doch zumindest stark gelitten. Als Labbadia die Pressekonferenz überstanden hatte und dabei nur eine einzige Frage zu beantworten hatte, atmete er tief aus und sagte: "Perfekt". Es lang wie ein frustriertes `das war es Freunde`. Zu oft, hatte er im Interview mit der "SZ" gesagt, "verlangt man in Leverkusen, den Spielern Dinge zuzugestehen, damit sie sich wohl fühlen. Dabei muss man wissen, welche Folgen das nach sich ziehen kann". Eine davon wird wohl schon am kommenden Dienstag zu beobachten sein.
Oliver Trust