Waldemar Hartmann im Interview: „Zu Tränen gerührt“

In der AZ erinnert sich Waldemar Hartmann an die Zeit mit dem großen Muhammad Ali bei dessen Kampf 1976 in München gegen Dunn.
Matthias Kerber |
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Stets für jeden Spaß zu haben: Box-Legende Muhammad Ali (l.) anlässlich des München-Kampfes mit OB Georg Kronawitter (r.).
M. Schlüter/AZ 3 Stets für jeden Spaß zu haben: Box-Legende Muhammad Ali (l.) anlässlich des München-Kampfes mit OB Georg Kronawitter (r.).
Waldemar Hartmann (M.) im Ring mit Muhammad Ali (r.), der 1976 in der Münchner Olympiahalle gegen Richard Dunn boxte.
privat 3 Waldemar Hartmann (M.) im Ring mit Muhammad Ali (r.), der 1976 in der Münchner Olympiahalle gegen Richard Dunn boxte.
„Für mich war er der Größte und wird es bleiben“, sagt Hartmann über Muhammad Ali, hier mit seiner Frau Lonnie (r.) und Schwägerin Marilynn Williams im Jahre 2012.
Imago 3 „Für mich war er der Größte und wird es bleiben“, sagt Hartmann über Muhammad Ali, hier mit seiner Frau Lonnie (r.) und Schwägerin Marilynn Williams im Jahre 2012.

München - Sportreporter Waldemar Hartmann (68) aus Nürnberg begleitete den Boxsport viele Jahre für Radio und Fernsehen. Im Interview mit der Abendzeitung erinnert er sich an den am vergangene Woche verstorbenen Boxer Muhammad Ali. "Für mich war er der Größte und wird es bleiben", sagt Hartmann. Lesen Sie hier das AZ-Interview.

AZ: Herr Hartmann, Sie kannten Muhammad Ali ja sehr gut, seit Sie 1976 bei Alis Kampf in München gegen Richard Dunn unter anderem der Ringsprecher waren. Wie haben Sie vom Tode Alis erfahren?
WALDEMAR HARTMANN: Ich habe am Freitag im Videotext gelesen, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde, dass ihm aber angeblich nur eine Kleinigkeit fehlt. Ich habe zu meiner Frau gesagt: „Wegen einer Kleinigkeit wird man nicht gleich ins Krankenhaus gebracht.“ Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl. Samstag habe ich dann erfahren, dass dieser großartige Mann von uns gegangen ist. Ich hatte zuletzt schon Bilder von ihm gesehen und war erschrocken, wie ihm die Krankheit Parkinson zugesetzt hatte. Ich hatte einen Kollegen beim BR, der an Parkinson litt, der war ein Fels von einem Mann, dessen Verfall habe ich auch erlebt. Daher glaube ich, sagen zu dürfen, dass der Tod für Ali eine Erlösung war. Für mich war er der Größte und wird es bleiben. Wenn man sieht, wie er, ein Moslem, selbst nach dem 11. September ein Held für alle Amerikaner geblieben ist, wie sich jeder Präsident versucht hat, in seinem Licht zu sonnen, kann man erst die Bedeutung dieses Mannes einordnen.

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Wie haben Sie ihn denn 1976 als Menschen kennengelernt?
Er war von unglaublicher Freundlichkeit. Seine Truppe ist fast vor ihm niedergekniet, aber er war immer liebenswert. Er war zu allen Dingen bereit, damit die Halle ausverkauft war. Ich habe die Zeit mit ihm genossen. Er war so normal, ich bin in seiner Kabine ein- und ausgegangen, habe ihn nackt unter der Dusche gesehen, das war für ihn kein Problem.

Sie hatten viel Spaß mit ihm.
Ich war ja immer merkantil veranlagt und hatte in Augsburg eine Signierstunde in einer Brauerei arrangiert, das war für ihn als Moslem, der keinen Alkohol trinkt, etwas, was gar nicht akzeptabel war. Also habe ich das geheimgehalten, alle Bierkästen wurden mit Planen abgehängt, da stand: „Welcome, Champ!“ drauf. Irgendwann hat einer aus Alis Entourage dann den Schwindel durchschaut und ihm zugebrüllt: „Es ist eine Brauerei!“ Ali ist ganz ruhig aufgestanden, hat sich bedankt und verabschiedet. Da ich wusste, dass Ali Kinder liebt, habe ich ihm meinen Sohn in den Arm gedrückt. Der war drei. Dem hatte ich vorher immer ganz aufgeregt erzählt: „Ali ist da!“ Er hat mich angeschaut und gefragt: „Ist das Ali?“ – und hat losgeheult. Ali hat alles versucht, um ihn zu beruhigen, aber nichts hat gefruchtet. Mein Sohn hatte einfach Angst vor diesem riesigen, dunklen Mann. Als wir in München angekommen sind, habe ich Alis Trainer Angelo Dundee gestanden, dass ich hinter der Aktion mit der Brauerei stand. Er hat sich fast kaputtgelacht. Es war eine tolle Zeit. Wenn einer was gebraucht hat, hat Dundee ihn zu mir geschickt und ich habe alles besorgt. Ich sage nur alles – und kein Wort mehr. (lacht)

Lesen Sie hier: Mythos Muhammad Ali - der größte aller Zeiten

"Mach es gut, Champ! Und danke für wirklich alles"

Sie haben besondere Erinnerungen an den Kampf.
Ja, viele. Ali hat mir seine Handschuhe nach dem Fight geschenkt und seine Kampfhose – und alles signiert. Ich bin vor einiger Zeit nach Berlin umgezogen und habe erstmals in meinem Leben einige Bilder gerahmt und aufgehängt. Darunter die Bilder mit Ali in München. Ich sehe jeden Tag, wie er war. Ich kann mich auch noch genau an 1996 erinnern. Wie immer bei Olympia wird ja gerätselt, wer das Olympische Feuer entzünden wird. Ali hatte damals keiner auf der Rechnung. Ihn dann zu sehen, wie er da steht und aufgrund der Parkinson-Krankheit von Schüttelkrämpfen am ganzen Körper zittert: Das war ein Moment, der mich zutiefst bewegt hat. Ich war zu Tränen gerührt.

Als Alis Tochter Laila 2005 in Berlin geboxt hat, haben Sie Ali noch einmal getroffen.
Ein unvergesslicher Moment, denn wir mussten 45 Minuten auf Ali warten. Laila hatte etwas im Hotel vergessen und sie hat nur ihrem Vater vertraut, es zu holen, also ist der ins Hotel zurück. Und wir warteten in der Halle. Niemand hat seine Ankunft sehnlicher erwartet als ich, irgendwann geht einem der Stoff für die Moderation aus. Aber keiner hat gepfiffen, alle wollten Ali sehen. Als er dann im Rollstuhl in die Halle geschoben wurde, standen alle auf – und applaudierten. Über die Aura, die Ausstrahlung dieses Mannes muss man keine Worte verlieren, man muss nur diesen Moment erlebt haben. Ich habe mir danach übrigens eine „Abendzeitung“, die kurz zuvor eine Geschichte über Ali und mich gemacht hatte, von ihm signieren lassen. Auch ein echter Schatz für mich. Ich kann nur sagen: Mach es gut, Champ – und danke für wirklich alles!

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