WADA "enttäuscht" von Entscheidung des IOC

Köln - Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat die Entscheidung des IOC im Fall Russland "zur Kenntnis genommen" und sich "enttäuscht" darüber gezeigt, dass das IOC der WADA-Empfehlung eines kompletten Ausschlusses russischer Athleten auf Basis der Erkenntnisse aus dem McLaren-Report "nicht gefolgt ist".
Das gab die WADA in einem Statement am späten Sonntagabend bekannt. "Ein Ausschluss der russischen Athleten hätte eine ganz klare zukunftsorientierte Linie aufgezeigt", wird WADA-Chef Craig Reedie in dem Statement zitiert.
Der McLaren-Report habe schließlich "jenseits aller Zweifel ein staatlich gestütztes Doping-Programm in Russland dargelegt, das die Prinzipien eines sauberen Sports im Einklang mit dem WADA-Code ernsthaft untergräbt". Die WADA respektiere natürlich "die Autorität des IOC, Entscheidungen auf Basis der Olympischen Charta zu treffen", sagte WADA-Generalsekretär Olivier Niggli.
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Die vom IOC genannten Argumente und Kriterien wiesen allerdings darauf hin, dass der saubere Athlet deutlich weniger geschützt sei. Sehr betroffen sei die WADA auch von der Nachricht, dass Whistleblowerin Julia Stepanowa in Rio nicht starten darf.
WADA acknowledges IOC decision on Russia, stands by Agency’s Executive Committee recommendations: t.co
— WADA (@wada_ama) 24. Juli 2016
"Die WADA hat Julias Bestreben, in Rio laufen zu dürfen, stets sehr engagiert unterstützt", sagte Niggli. Stepanowa habe mit viel Mut "den größten Dopingskandal der Geschichte aufgedeckt". Die Botschaft, die ihr Startverbot an alle Whistleblower der Zukunft aussende, "bereitet der WADA große Sorgen".
NADA: "Ein fatales Signal"
Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) reagierte ebenfalls enttäuscht auf die IOC-Entscheidung. "Die NADA hat sich ein klares Signal für den sauberen Sport gewünscht, das ausgeblieben ist. Die Entscheidung lässt leider viele Fragen offen und schwächt dadurch das Anti-Doping-System", hieß es in einer ersten Stellungnahme.
Die Prüfung und Bewertung der Einzelfälle an die internationalen Fachverbände zu übertragen, hält die NADA für "falsch. Es gibt keine einheitlichen Regeln für ein einheitliches und fachmännisches Vorgehen aller internationalen Verbände. Dies führt zu einem unterschiedlichen Vorgehen der Sportarten. Dies ist ein fatales Signal."
Die Fachkompetenz der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und der nationalen Anti-Doping-Organisationen werde "völlig außen vor gelassen". Die Entscheidung, Julia Stepanowa das Startrecht für Rio zu verwehren, schwäche zudem das Whistleblower-System.
Ähnlich enttäuscht von der Entscheidung zeigte sich auch Joseph de Pencier, Vorsitzender des Dachverbands von 59 nationalen Anti-Doping-Agenturen (iNADO). "Es ist ein trauriger Tag für den sauberen Sport", sagte der Kanadier: "Das IOC hat den Ruf der ungedopten Athleten, einer Vielzahl von Athleten-Organisationen und führender Nationaler Anti-Doping-Komitees ignoriert. Es ist alles andere als das Zeichen für Fair Play als Kerngedanke der Olympischen Idee, das nötig gewesen wäre."
"Das schlechteste Zeichen überhaupt"
Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag kritisierte das IOC hart für den Verzicht auf einen Komplett-Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen hart.
"Ich halte das für keine gute Entscheidung, weil jetzt mehr unklar als klar ist. Die Verantwortung wird wieder an Dritte abgeschoben, diesmal an die internationalen Fachverbände", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete. "Da ist zu befürchten, dass dort nach völlig uneinheitlichen Kriterien entschieden wird. Das kann nicht im Sinne des Sports und der Athletinnen und Athleten sein."
Ob "politischer Druck oder kommerzielle Interessen den letzten Ausschlag gegeben haben, kann ich nicht sagen", erklärte Freitag: "Aber das IOC hat sich gegen eine eindeutige Empfehlung der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA ausgesprochen, in Sachen eines glaubwürdigen Anti-Doping-Kampfes ist das das schlechteste Zeichen überhaupt."
Zudem "widerspreche" die Ansage, dass kein jemals des Dopings überführter russischer Sportler starten darf, dem WADA-Code. "Für mich ist das ganz klar eine Lex Julija Stepanowa - die Whistleblowerin will man dort nicht laufen sehen", sagte Freitag.