„Vor Vitali hätte ich Angst“
Box-Legende George Foreman exklusiv in der AZ über das Comeback von „King Kong“ Klitschko und warum er Probleme mit vielen heutigen Boxern hat.
Von Matthias Kerber
AZ: Herr Foreman, Vitali Klitschko gibt am Samstag sein Comeback. Haben Sie, der es ja selber nicht schaffte, das Boxrentnerdasein zu genießen, sondern mit 38 Jahren zurückkehrte, eine Erklärung dafür, warum die Rückfallqoute ausgerechnet bei Boxern so dermaßen hoch ist?
GEORGE FOREMAN: Schwere Frage, ich glaube, dass die Gründe so mannigfaltig und verschieden sind, wie Gott die Menschen geschaffen hat. Bei mir war der Grund sehr profan: Geld. Ich war pleite. Ich konnte die ganzen sozialen und karitativen Projekte, die ich als Prediger mitgeschaffen hatte, nicht mehr finanzieren. Also ging ich in mich und suchte nach Wegen und Mitteln, wie ich das Geld verdienen könnte. Ich habe lange mit mir gerungen, ob der Weg des Boxens, also mit der Faust, der richtige für einen Mann Gottes ist, dessen Waffe das Wort ist. Aber ich hatte das Gefühl, dass der Herr seinen Segen nicht verwehrte. Bei Vitali glaube ich nicht, dass es monetäre Gründe hat. Wie man hört, kann er mit Geld gut umgehen.
Also treibt ihn wirklich der Traum, zusammen mit seinem Bruder Wladimir als erstes Brüderpaar gleichzeitig Weltmeister im Schwergewicht zu sein?
Ich glaube schon. Die beiden haben so viele Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet, und nie hat es letztlich geklappt. Ich denke, dass Vitali sich die momentane Schwergewichtsszene und die Weltmeister angeschaut hat und zu dem Schluss kam: Die Chancen standen nie besser. Wladimir dominiert die Szene und die anderen Weltmeister, naja. Ich sehe das so: Man blinzelt – und schon ist ein anderer Kerl Champion; man blinzelt wieder – und schon hat der den Titel verloren und ein anderer nennt sich Weltmeister. Vitali war der stärkste Boxer der Welt, bevor er wegen der ganzen Verletzungen abtreten musste. Champion, das will er jetzt wieder werden. Er war dabei, der Boxszene seinen Stempel aufzudrücken. Und zwar mit der Urgewalt seiner Eisenfaust.
"Er hat Dampfhämmer in den Eisenfäusten"
Wird er es schaffen und sich den Titel zurückholen?
Warum nicht? Er ist noch jung, erst 37, ich habe den Titel mit 45 zurückgeholt. Ich wäre auch dafür, dass Mike Tyson sich noch einmal zusammenreißt und wieder ernsthaft trainiert, er ist nicht zu alt fürs Boxen. Aber ich glaube, er hat den Willen verloren, er hat keine Liebe mehr für diesen Sport in seinem Herzen.
Was halten Sie denn von dem Boxer Vitali Klitschko?
Er ist vielleicht nicht filigran, hat einen sehr eigenwilligen, nicht immer schönen Stil, aber er ist ein Krieger, ein echter Krieger im Ring. Schauen Sie, im ersten Teil meiner Karriere bestand ein großer Teil meines Erfolges darin, dass ich die Gegner eingeschüchtert habe. Ich war der gefürchtetste Schläger, machte sie alle platt. Wenn man sich diesen Ruf erkämpft hat, dann macht er sich selbstständig, dann ist das schon in den Köpfen der Gegner drin, wenn sie mit einem in den Ring steigen. Aber Vitali, schauen Sie sich den Kerl an! Er ist riesig, er ist kräftig, haut zu als habe er Dampfhämmer statt Fäusten. Und dazu noch dieser Blick, man sieht Vitali an, dass er den Killerinstinkt hat. Vor dem Kerl hätte ich Angst!
Dieser Ruf basiert hauptsächlich auf seiner Schlacht gegen Lennox Lewis, als Klitschko trotz horrender Cutverletzungen den Weltmeister verprügelte, bis der Ringrichter den Kampf wegen der Platzwunden abbrach.
"King Kong Klitschko gegen Godzilla Lewis"
Das war der Schwergewichtskampf dieses jungen Jahrhunderts. Zwei Hünen, die auf sich einprügeln, als gäbe es kein Morgen. Das war King Kong Klitschko gegen Godzilla Lewis. Es gab nicht eine Sekunde in dem Kampf der langweilig war. Ich selber konnte nicht anders, ich sprang auf, ich feuerte die Jungs an. Und genau da sehe ich auch das Problem des heutigen Schwergewichts. Es gibt keine K.o-Schläger mehr. Jeder will den anderen nur auspunkten. Da werden so Patschehändchen geschlagen und dann ganz schnell wieder weg. Hat Ali so geboxt? Nein, die Schläge, die ich ihm verpasst habe, waren enorm, aber seine Antwort war noch enormer. Alle großen Boxer hatten auch diese Schlagkraft. Und heute?
Da wird fast nur noch extrem taktisch geboxt.
So kann man es auch sagen. Aber es ist oft sehr langweilig. Sultan Ibragimow gegen Shannon Briggs, wer will das sehen? Auch Wladimirs Kampf gegen Ibragimow war kein Vergnügen. Nein! Bei vielen Kämpfen müsste man mir ein großes, dickes Kuvert mit ganz vielen Scheinen drin geben, damit ich mir das anschaue, bei Vitali Klitschko würde ich selber sogar das Ticket zahlen.
Besonders für ein Rematch gegen Lennox Lewis!
Ich will das sehen und ich bin sicher, die Boxfans auf der ganzen Welt wollen das sehen. Aber Lennox weigert sich noch. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass er nicht nur Vitali, sondern auch der gesamten Boxwelt diese Revanche schuldet.
"Gegen seine Frau hat Lennox keine Chance"
Seine Frau will aber nicht, dass er nochmal seine Gesundheit riskiert.
Oh, das kenne ich. Dann hat er keine Chance, wenn seine Frau das sagt. Bei mir war das ähnlich. Ich träumte ja immer mal wieder von einem Comeback, dann sprang ich von der Couch auf, machte ein paar Schlagsalven und sagte zu ihr: „Siehst Du das? Ich habe es noch drauf, sah das nicht gut aus?" Und sie sah mich an, und ich denke, ich sah sogar einen Anflug von Mitleid in ihren Augen, als sie sagte: „Ja, es sieht gut aus - für einen 59-Jährigen. Und jetzt setz' dich bitte wieder hin."
Also kommt nur der große Klitschko, aber nicht Big George zurück.
Ich wollte mit meinem Comeback damals auch zeigen, dass man mit 45 noch lange nicht zum alten Eisen gehört, dass man seinen Wert hat, dass man weiter tolle Leistungen bringen und auch die Welt schocken kann. Ich glaube, ich habe da ein gutes Beispiel gegeben, ich will auf keinen Fall ein Beispiel dafür sein, dass Leute es nicht schaffen in aller Würde auch alt zu werden. Was sollte ich auch noch im Ring mit einem Mann wie Vitali Klitschko?
Der sagte, er werde nicht ewig boxen, Ihren Rekord als ältester Weltmeister im Schwergewicht will er nicht brechen.
Danke Vitali, sonst müsste ich mir ja doch noch überlegen, zurückzukommen und ihn dafür zu versohlen. Hey, das war wirklich nur ein Scherz!
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