„Vor dem Kampf Dessous kaufen!“

Menzer, Kentikian, Graf - drei Weltmeisterinnen sind die Vorzeige-Kämpfer des Boxstalls Universum, der 25 Jahre alt wird. Hier reden sie über Schläge, Shopping, Schminke.
AZ: Drei Frauen, sechs WM-Titel. Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum Ihres Boxstalls Universum, das am Dienstag in Hamburg begangen wird, haben die Frauen die Box-Welt erobert. Sie setzen fort, was Regina Halmich vor 15 Jahren begonnen hat.
INA MENZER: Ja, Regina hat große Fußstapfen hinterlassen, aber ich will definitiv meine eigenen hinterlassen.
ALESIA GRAF: Bei mir war es so, dass Regina mich erst zum Boxen inspiriert hat. Ich bin in Weißrussland aufgewachsen, da gab es kein Frauenboxen. Ich bin zum Sportstudium nach Deutschland gekommen. Um Deutsch zu lernen, habe ich Zeitungen gelesen. In einer war ein Bild von Box-Weltmeisterin Halmich. Das hat mich fasziniert und inspiriert.
SUSI KENTIKIAN: Wir alle profitieren davon, dass Regina ihren Weg gegangen ist. Sie hat mit den Klischees übers Frauenboxen aufgeräumt. Wir haben uns das noch maximal am Anfang der Karriere anhören müssen, aber jetzt nicht mehr.
Erzählen Sie mal, was Sie da alles zu hören bekamen.
MENZER: Die typischen Macho-Sprüche, Frauen gehören an den Herd, in die Küche.
GRAF: Oder ins Bett.
KENTIKIAN: Auch Mannweib und so. Aber es sagt mehr über die aus, die es sagen, als über uns.
GRAF: Man soll aufhören, uns immer mit Männerboxen zu vergleichen. Auch im Tennis ist es so, dass ein guter Amateurspieler Serena Williams, die beste Spielerin der Welt, besiegen würde. Das gibt sie selber zu. Aber macht das das Gezeigte weniger hochklassig? Nein!
KENTIKIAN: Genau!
MENZER: Gerade technisch boxen Frauen oft besser als die Männer, die sich gerne nur auf die Physis verlassen.
Wo wir schon mal Klischees strapazieren: Wie gut kochen Sie denn?
KENTIKIAN: Ich liebe armenisches Essen, das mache ich gerne. Schmeckt himmlisch!
GRAF: Ich liebe italienische Küche. Da stehe ich auch gerne am Herd.
MENZER: Ich koche nicht gerne. Ich lasse mich lieber von meinem Mann bekochen.
Wie belohnen Sie sich nach einem Kampf?
MENZER: Schokolade!
GRAF: Eis! Oder ein guter Wein, Essen gehen. Das muss auch sein, man kann nicht nur Trockenfutter essen.
KENTIKIAN: Ich belohne mich auch während des Trainings. Wenn ich Lust auf Schokolade habe, esse ich welche. Oder eine Pizza. Aber nicht eine ganze, sondern nur ein Stück.
Wie sieht ein Wohlfühltag im Leben einer Boxerin aus?
KENTIKIAN: Ausschlafen und ein gutes Frühstück. Dann setze ich mich ans Telefon und spreche mit Freunden, mit der Familie. Am besten trifft man sich noch, das ist für mich ein perfekter Tag.
MENZER: Bei mir auch, aber ich gehe noch shoppen.
GRAF: Ich gehe Schwimmen, dann in die Sauna und den Wellnessbereich. Massagen, das ganze Programm. Am Abend lese ich noch ein Buch.
Was liest eine Boxerin?
GRAF: Liebesromane! Richtig schön romantisch, fast kitschig. Da lese ich vier, fünf Stunden am Stück. Ich mag auch Biographien, zuletzt habe ich etwas über Marlene Dietrich verschlungen. Eine geheimnisvolle Frau.
Was lesen die anderen?
KENTIKIAN: Was ich lese?
MENZER: Lesen, Susi! Das ist das mit den Büchern!
KENTIKIAN:Weiß ich! Ich bin nicht so der Leser, da schlafe ich schnell ein. Ich rede lieber.
Apropos Shopping: Eines der Rituale des Boxens ist das Wiegen, da muss man sich immer in Unterwäsche präsentieren. Gehen Sie dafür vorher extra Dessous kaufen?
MENZER: Klar! Am Anfang hatte ich Hemmungen, mich halbnackt zu präsentieren, aber es gehört dazu. Deswegen zelebriere ich es, indem ich vorher was Schönes kaufe.
KENTIKIAN: Die letzten Male hat mich das überhaupt nicht mehr interessiert.
MENZER: Deswegen warst Du nackt auf der Waage!
KENTIKIAN: War ich nicht!
Das macht nur Weltmeister Hugo Hernan Garay, der stets auf der Waage blank zieht.
KENTIKIAN: Der soll doch mal nackt boxen.
Graf: Susi!
MENZER: Susi!
GRAF: Auch ich gehe vorher noch mal Dessous shoppen. Wir haben schöne Körper, die sollte man sexy präsentieren. Da ist so ein Kampf immer ein netter Anlass, sich Dessous zu leisten.
Wer war bei Ihnen geschockter, als Sie erklärt haben, dass Sie Boxerin werden würden: Mama oder Papa?
MENZER: Papa hat mich sofort unterstützt, aber die Mutter wollte mich überreden, etwas anderes zu machen. Auch Bestechungsversuche gab es.
KENTIKIAN: Bei mir war es so, dass ich alles ausprobiert habe: Schwimmen, Gymnastik, Karate. Alles habe ich angefangen und nach einer Woche aufgegeben. Als ich beim Boxen dranblieb, war mein Vater glücklich, dass ich was durchziehe. Aber für meine Mama ist das nichts. Der darf ich nicht mal sagen, dass ich zum Boxen gehe. Noch heute nicht. Wenn sie mich fragt, sage ich: Ich gehe arbeiten. Ist ja keine Lüge, Boxen ist mein Beruf.
GRAF: Bei mir konnte sich keiner aufregen. Ich bin als Waise aufgewachsen. Ich musste mich in meinem Leben immer durchkämpfen. Es gab keine Eltern, die auf mich aufgepasst hätten, die mich mit ihrer Liebe vor Gefahren schützen konnten. Andererseits hat mich auch niemand gehemmt mit seinen Sorgen.
Zum Abschluss noch ein paar Schminktipps für unsere Leserinnen, denn ganz ohne Spuren bleibt Boxsport ja nicht.
MENZER: Ich empfehle Camouflage und dann Makeup drüber. Dann sieht man die meisten blauen Flecken nicht mehr. Wenn man das abdecken kann, dann sind Unreinheiten kein Problem.
KENTIKIAN: Ein guter Friseur hilft. Da kann man einiges verbergen. Aber manchmal hilft weder Schminke noch Friseur. Nach einem Kampf dauert es ein, zwei Wochen, bis man wieder hergestellt ist.
GRAF: Manchmal hilft nur eins: Zu Hause bleiben. Und auch den Spiegel meiden.
Interview: Matthias Kerber