Von Kälbern und Körben
„Ich habe mir in München gar nichts angeschaut“: Hier erklärt Basketball-Coach Dirk Bauermann, der erfolgreiche Bayern- und Bundestrainer, wieso er in Hohendilching bei Valley auf dem Dorf lebt.
HOHENDILCHING Graue Wolken hängen über dem Dorf Hohendilching, ein Ortsteil der Gemeinde Valley. Es schneit, nun ja, es regnet eher, die feuchte Kälte zieht durch die Klamotten. Ein unwirtliches Örtchen, scheint es, zumindest zu dieser Jahreszeit. Es ist neun Uhr morgens, die Straßen sind menschenleer.
Dirk Bauermann (52) tritt in die Einfahrt vor dem restaurierten Bauernhaus, in dem er ein Appartement im Erdgeschoss bewohnt. Er schaut dorthin, wo unter besseren Bedingungen wohl die Alpen zu sehen wären. „Traumhaft, oder?“, sagt der Trainer der Bayern-Basketballer und der Nationalmannschaft. In Hohendilching, wo es weder Tankstelle noch Supermarkt gibt, hat er sein persönliches Refugium gefunden.
In der Großstadt arbeiten – zwangsläufig. In der Großstadt leben – das käme für Bauermann derzeit nicht in Frage. „Ich habe mir in München gar nichts angeschaut, als ich hier her gekommen bin“, sagt er, „ich wusste von vornherein, dass ich meine Ruhe haben will.“ Denn Bauermann hegt nicht nur eine Aversion gegen ProA-Schiedsrichter, sondern auch gegen so manche Tücke der Stadt: „Wenn ich eins hasse, dann ist es Parkplätze zu suchen.“ In Hohendilching kann er sich sicher sein, dass niemand auf seinem Parkplatz steht, wenn er abends nach Hause kommt. Mit seinem SUV braucht er dann am nächsten Morgen 25 Minuten nach München.
Seine Familie hat Bauermann in seiner Heimat Krefeld gelassen. „Meine Tochter macht gerade Abitur“, erklärt er. Neue Schule und neues Umfeld, das habe er ihr nicht zumuten wollen. Man merkt, dass im geräumigen Appartement jemand lebt, der viel arbeitet. Manche Vitrinen sind leer, die Küche sieht jungfräulich aus. Einzig der Schreibtisch im Wohnzimmer wird offensichtlich benutzt. Selbst wenn Bauermann Feierabend hat, zieht es ihn oft noch einmal raus. „Ich fahre dann mit dem Mountainbike über die Hügel“, erzählt er.
Sein Domizil ist ein Gegenentwurf zur Glitzerwelt in der er sich mit seinen Basketballern jede Woche in den Hallen Deutschlands – am Sonntag (17.30 Uhr) in Karlsruhe – bewegt, um Körbe zu erzielen, in der Spieler durch Feuer und Nebel aufs Feld rennen, in der die Bässe wummern wie in der Disco. Bei Bauermann zu Hause gibt es – nur Ruhe.
Laut wird es höchstens einmal, wenn er beim Metzger in Valley aufschlägt, um sich vor dem Training noch mit einer Fleischpflanzerlsemmel zu verpflegen. Die Mitarbeiter dort erkennen sein Bayern-Wappen auf der Brust schnell. Ob Basketballer oder Fußballer, das spielt dann kaum eine Rolle. „Wie schade, dass der Bub nicht da ist“, sagt eine Angestellte, „der ist doch so ein großer Bayern-Fan.“ Innerhalb kürzester Zeit steht die ganze Belegschaft im Verkaufsraum. Der Juniorchef hat sich schon informiert. Er weiß, dass die Bayern mit ihren Basketballern gerne da hin möchten, wo die Fußballer schon sind. Und er kombiniert: Valley zieht die Prominenten an. Eine Familie, deren Sohn an der Säbener Straße spielt, wohnt in der Gemeinde. Ex-Löwe Harald Cerny, nun Nachwuchstrainer bei den Bayern, lebt auch in der Nähe – und jetzt auch noch Bauermann!
Die Menschen sind herzlich und ungezwungen, in seiner Metzgerei und im Dorf. Das genießt Bauermann, sie stellen ihm nicht jeden Tag die selben Fragen über die Mission Aufstieg, sie Freude sich einfach, dass er da ist, obwohl sie gar nicht so genau wissen, wer er ist. Ein Bauer auf dem Traktor winkt freundlich und ruft etwas Unverständliches, als Bauermann zu seinem Auto läuft. Der Bundes- und Bayerntrainer lacht und winkt zurück, hier kennt man sich, auch wenn man sich nicht kennt.
Bevor er allerdings ins Auto einsteigt, sieht er noch ein paar Kälber, die in einem Hof nebeneinander eingestellt sind. „Fünf Stück, das passt doch“, ruft Bauermann, wie auf dem Basketballfeld.
Der Mann, den man sonst nur lässig und cool im schwarzen Anzug mit imposanter Gürtenschnalle kennt, dem Kritiker sogar Kälte und Humorlosigkeit vorwerfen, grinst spitzbübisch, läuft mit seinen weißen Turnschuhen durch den Dreck, nimmt einen Eimer mit Getreide und hält ihn den Kälbern hin.
Julian Galinski
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