Vom Rathausbalkon unter den Zwetschgenbaum

Ottmar Hitzfeld ist so gelassen wie nie - und "spricht nicht nach 30 Sekunden schon wieder über Fußball." Sein Freund und Biograph Josef Hochstrasser erklärt die erstaunliche Wandlung des scheidenden Bayern-Trainers.
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Ottmar Hitzfeld 2003 bei der Meisterfeier der Bayern.
Augenklick Ottmar Hitzfeld 2003 bei der Meisterfeier der Bayern.

Ottmar Hitzfeld ist so gelassen wie nie - und "spricht nicht nach 30 Sekunden schon wieder über Fußball." Sein Freund und Biograph Josef Hochstrasser erklärt die erstaunliche Wandlung des scheidenden Bayern-Trainers.

„Wer auch nur ein klein wenig Ahnung vom Fußball hat, kennt Ottmar Hitzfeld – und kennt ihn doch nicht.“

Aus „Ottmar Hitzfeld. Die Biographie“ von Josef Hochstrasser aus dem Jahr 2003

War da nicht mal was? Kurz vor dem Burn-out-Syndrom habe er gestanden, hatte Ottmar Hitzfeld nach dem Ende seiner ersten Amtszeit, nach seiner Entlassung beim FC Bayern im Jahr 2004 zugegeben. Burn-out? Entlassung?

Kaum zu glauben, wenn nun der immer öfter lachende Ottmar Hitzfeld mit jenem FC Bayern einen Erfolg nach dem anderen feiert. Wenn er begleitet vom Jubel der Fans („Ottmar Hitzfeld, du bist der beste Mann“) und neuerdings auch wieder von dem der Bosse (Uli Hoeneß: „Er ist ein starker Trainer“) aufs Triple zusteuert. Am Mittwochabend, beim Spiel der Bayern in Frankfurt (20 Uhr, Premiere live) soll der nächste Sieg her, der nächste Schritt zur Meisterschaft. Sechsmal Mal hat der Trainer die Schale bereits gewonnen.

Zum Karriereende richtig Spaß

Titel hat Hitzfeld schon gesammelt wie andere Briefmarken. Doch im Gegensatz zu früher scheint der 59-Jährige nun, zum Ende seiner Karriere als Vereinstrainer, richtig Spaß daran zu haben.

Was also ist passiert mit dem Menschen Hitzfeld?

Er hat im Bewusstsein, nach der Saison Schweizer Nationaltrainer zu werden, innere Ruhe gefunden. „Im Vergleich zu seiner ersten Phase bei Bayern ist er jetzt einfach viel präsenter“, sagt Pfarrer Josef Hochstrasser, sein Biograph und Freund seit über 20 Jahren. „Damals, von 1998 bis 2004, war er oft im Gespräch abwesend. Auch beim Jassen (ein Kartenspiel), was wir seit 23 Jahren gemeinsam machen, hat er damals immer wieder mal gefragt: ,Was hast du gesagt?’ Er war einfach abgelenkt.“

Der ehrgeizige Trainer konnte nicht abschalten. Hitzfeld dachte an Aufstellungen, an Gegner, an Taktik. „Das habe ich zuletzt bei ihm überhaupt nicht mehr festgestellt“, freut sich Religionslehrer Hochstrasser über die neue Entwicklung, „das ist wirklich sehr angenehm für mich, dass das Gespräch nicht bereits nach 30 Sekunden schon wieder um Fußball geht. Das muss jetzt gar nicht mehr unbedingt sein. Er hat Zeit dafür, zu fragen, was bei mir passiert, was in der Schule passiert, sogar was ich in meinem Garten mache.“

Hin und wieder das altbekannte Gesicht

An Kleinigkeiten, sagt Hochstrasser, könne er erkennen, wie gut es seinem Freund gehe: „In meinem Garten steht ein Zwetschgenbaum, unter dem wir vier – Ottmar mit seiner Frau, ich mit meiner – schon oft gesessen haben. Zuletzt hat er zu mir gesagt: ,Wir setzen uns bald wieder unter deinen Zwetschgenbaum.’ Wenn er so etwas sagt, Freude ich mich einfach mit ihm. Und ich glaube, es gibt auch in München nur wenige Menschen, die ihm seine Erfolge nicht gönnen.“

Wer nun allerdings glaubt, dass ausgerechnet jetzt, in einer Phase, in der der Bayern-Trainer mit seinem Team um die Superstarts Luca Toni und Franck Ribéry Meisterschaft, Pokal und Uefa-Cup-Triumph ins Visier nimmt, aus Lockerheit Nachlässigkeit werden könnte, der kennt Hitzfeld nicht. „Er ist weiter ganz, ganz konzentriert“, weiß Hochstrasser, „denn er will alle drei Titel. Auf dieser Schiene muss er dann auch hin und wieder das altbekannte Gesicht aufsetzen. Das eine bedingt das andere: Je mehr er gewinnt, je mehr kann er dann auch wieder gelassen sein. Und er ist gelassen wie er nie zuvor in seiner Karriere war. Er befindet sich in einer positiven Spirale.“

Hitzfeld selbst nennt dies gerne „Schlachtenglück“. Pfarrer Hochstrasser umschreibt es etwas anders: „Da zitiere ich die Bibel: ,Wer hat, dem wird auch gegeben.’ Im Winter wusste man ja noch nicht, wie es endet. Es hätte – trotz Toni und Ribéry – ganz böse ausgehen können. Aber jetzt? Man muss ja nur Getafe anschauen. Die erste Halbzeit, das war ganz fürchterlich, aber dann war es wieder da, das Glück. Und Glück potenziert sich bekanntlich ja oft.“ Sozusagen: Titel hoch drei.

Jochen Schlosser

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